Fahrer von Girteka organisieren einen Streik wegen der Kürzung des Tagesgeldes. Girteka: „Die Fahrer unterstützen uns”

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„Sehr geehrte Fahrer, aufgrund der Verbreitung von COVID-19 (…) senken wir die Kosten in allen Bereichen unseres Geschäfts. Aus diesem Grund reduzieren wir ab dem 14. April das Tagesgeld für alle Fahrer” – das ist die Nachricht, die alle Fahrer von der Firma erhalten haben. Die Information führte zu einem Ausbruch von Wut und Streikdrohungen seitens der Fahrer.

Vor einigen Tagen erhielten alle Fahrer des bekannten litauischen Spediteurs Girteka Logistics die unglückliche Nachricht, dass „wegen der durch COVID-19 verursachten Gefahr”, das Tagesgeld gekürzt wird. Das Unternehmen berichtete, der Grund für eine solche Entscheidung sei, dass „ein erheblicher Teil der Kunden den Versand von Ladungen eingestellt hat, Fabriken und Lagerhäuser in ganz Europa, Russland und Skandinavien zu schließen begannen und die Arbeitslosigkeit zu steigen begann”. Der Nachricht ist auch zu entnehmen, dass das derzeitige Hauptziel des Spediteurs darin besteht, „die Lastwagen nicht stillzulegen und einen kontinuierlichen Ladungstransport aufrechtzuerhalten”.

„Aus diesem Grund nehmen wir billigere Ladungen an, senken die Transportpreise und reduzieren die Kosten in allen Bereichen unseres Geschäfts. Eines Tages wird die Krise zu einem Ende kommen und damit wir alle überleben können, kürzen wir ab dem 14. April das Tagesgeld für alle Fahrer. Wir garantieren, dass die Höhe des Tagesgeldes nicht unter dem von den Behörden festgelegten zulässigen Mindestsatz liegen wird” – so die Nachricht von Girteka, die die Fahrer der Firma auf Tablets und Smartphones erhielten. Auf diese Weise wurden die Gehälter der Fahrer bei einer monatlichen Fahrleistung von 12.000 km auf 53 Euro pro Tag gesenkt.

Foto: Viber

Dies ist nicht das Ende der schlechten Nachrichten – wie sich ferner herausstellte, will das Unternehmen Fahrer für übermäβigen Kraftsstoffverbrauch bestrafen. Wie die Fahrer bemerken, soll das Unternehmen auch dann Geld für „übermäßige Verbrennung” abziehen, wenn der Grund dafür längere Strecken sind, die durch Umwege bei Straßenreparaturen entstehen.

Girteka-Lkw werden anhalten

Die Reaktion der Fahrer ist vorhersehbar. Auf dem beliebten Viber-Kommunikator wurde eine Gruppe gebildet, die die Fahrer zum Streik aufruft. Momentan hat die Gruppe über 6,8 Tausend Mitglieder.

Wir sind in einer gefährdeten Gruppe direkt nach Ärzten. Sie sollten unser Gehalt erhöhen, nicht kürzen!
In Kanada hat man den Fahrern 550 Euro für das Risiko hinzugefügt, nicht weggenommen. Warum zahlte Girteka in guten Zeiten jeweils 66 Euro, während man in Deutschland jeweils 90 Euro verdienen konnte?
Das ist lächerlich – für Fahrten in verseuchte Gebiete sollen wir weniger bekommen?

Diese und andere Kommentare, volle Empörung, erscheinen in der Gruppendiskussion seit mehreren Tagen.

Kierowcy Girteki organizują strajk z powodu cięć diet. Girteka: “Kierowcy nas wspierają”

Foto: Viber

Aber nicht alle verurteilen die Entscheidung von Girteka. Einige Teilnehmer berufen sich auf den gesunden Menschenverstand.

Habt ihr von Angebot und Nachfrage gehört? Aufgrund des Virus ist die Zahl der geöffneten Fabriken und Werke zurückgegangen, und die Zahl der Fahrer hat sich nicht verändert. Das Angebot blieb also gleich und die Nachfrage ging zurück, und damit auch die Frachtpreise, denn jetzt gibt es nicht mehr zwei, sondern 10 Frachtführer pro Fracht. Deshalb werden einige Fahrer in den Urlaub geschickt und anderen werden die Gehälter gekürzt. Ihr erwähnt Kanada (…), aber dort werden die Zulagen vom Staat gezahlt, nicht von der Firma – kommentiert Walentin. Anatolij hingegen fügt hinzu, dass dies die Situation in jedem Unternehmen ist und die Spediteure nur darüber nachdenken müssen, wie sie ihr Unternehmen halten können.

Worum würde es bei dem Fahrerstreik gehen? Ganz einfach – es geht nur darum, anzuhalten und zu zeigen, dass sie, die Fahrer, das wichtigste Glied in der Lieferkette sind. „Jeder Lkw-Stillstand ist ein Verlust für das Unternehmen. Das Anhalten von tausend Fahrzeugen ist eine Katastrophe”- kommentieren die Hauptagitatoren, indem sie zu einem Protest aufrufen.

Jewgienij, einer der Anführer der „Revolution”, wie die Fahrer diese Handlungen nennen, sagte, dass der geplante Stillstand am Montag, den 20. April von 9 bis 18 Uhr stattfinden soll.

Warum tun wir das alles? Damit die Fahrer mit den Treibstoffkosten nicht belastet und ihre Gehälter bis zu 65-68 Euro (pro Tag) zurückerstattet werden – kommentierte Jewgienij.
Unsere Forderungen sind sehr einfach: wir wollen das zurückerhalten, was uns genommen wurde. Dies ist zum einen der Ausgleich der Löhne und Gehälter von allen Fahrern, die in allen Lkw-Zentren des Unternehmens arbeiten, sowie von allen Besatzungen und Auszubildenden. Zum anderen sollen ungerechtfertigte Abzüge für Treibstoff eingestellt werden – sagte Andriej, einer der Gründer der Gruppe auf Viber, in einem Interview mit Trans.INFO.

Was sagt Girteka dazu?

Girteka, wie auch die gesamte Weltwirtschaft, ist von der Krise sehr stark betroffen. Die Zahl und die Preise der Transporte sinken. Wir kürzen nicht die Gehälter der Fahrer, sondern reduzieren nur vorübergehend das Tagesgeld, dessen Höhe die im Gesetz festgelegten Normen nicht unterschreitet – sagt Kristian Kaas Mortensen, Vertreter von Girteka, in einem Gespräch mit Trans.INFO.

Das Unternehmen weist darauf hin, dass dies nicht die einzige Krisensituation in seiner Geschichte ist. Gegenwärtig basiert der Anti-Krisenplan darauf, Neueinstellungen zu stoppen und „alle unnötigen Kosten zu reduzieren”. Wie lange diese Reduzierung andauern wird, ist unbekannt.

Wie die meisten Unternehmen in Europa müssen auch wir Haushaltsanpassungen vornehmen. Wir leben in einer Zeit des ständigen Wandels und können nicht abschätzen, wie lange die Krise dauern wird. Und obwohl wir optimistisch sind, sind wir auf das Worst-Case-Szenario vorbereitet – sagt Kristian Mortensen.

Wie das Szenario aussieht und ob es in Zukunft eine Auszahlung der reduzierten Tageslöhne geben wird – dazu äußert sich das Unternehmen nicht. Und auch nicht dazu, warum 12.000 Beschäftigte nicht über die bevorstehenden Veränderungen informiert wurden.

Wir haben nur eine gewisse Anpassung der Höhe des Tagesgeldes vorgenommen, aber wir haben die Höhe der Gehälter der Fahrer nicht geändert. Für solche Änderungen besteht keine Pflicht, neue Arbeitsverträge zu unterzeichnen – antwortet der Sprecher des Unternehmens auf die Frage bezüglich rechtlicher Anforderungen.

Was wird Girteka tun, wenn die Fahrer ihre Lastwagen tatsächlich anhalten?

Wir sind diesbezüglich in Gesprächen mit den Fahrern. Wir erklären, warum solche Maßnahmen im Zeitalter der COVID-19-Pandemie notwendig sind. Im Moment streikt keiner der Fahrer, alle Fahrzeuge sind im Betrieb. Viele Fahrer verstehen dies und unterstützen unsere Entscheidung. Sie verstehen die kritische Situation – antwortet Vertreter der Firma.

Der Sprecher möchte keine detailliertere Antwort auf die Frage geben. Es ist auch unbekannt, was im Falle von Verlusten geschieht, die aus Lieferverzögerungen resultieren können.

Verschwörung der Spediteure?

Der Straßenverkehr ist der Sektor, der in der Regel als erster von der wirtschaftlichen Rezession betroffen ist. Girteka ist nicht das einzige litauische Unternehmen, das sich zu solchen Einsparungen entschlossen hat. Vielen Fahrern zufolge haben dies auch andere litauische Unternehmen getan.

Dies ist eine Ausnutzung der Situation, keine Krise – kommentiert ein Fahrer.
Die litauischen Tycoons kamen zu einer Einigung und reduzierten gemeinsam das Tagesgeld der Fahrer. Dies begründen sie mit der Notwendigkeit, nach Einsparungen zu suchen. Jedenfalls erfolgt alles gesetzmäβig – die neuen Tagesgeldsätze unterschreiten nicht die in der Gesetzgebung angegebenen Sätze.
Girteka hat die Krise nicht so stark zu spüren bekommen wie andere Unternehmen. Unsere Flotte besteht zu 75 Prozent aus Kühllastwagen. Deshalb hat uns die Rezession weniger stark getroffen als Spediteure, die hauptsächlich Planenfahrzeuge haben. Dennoch richtet sich unser Handeln nach dem Wohl des Unternehmens – erklärt Kristian Mortensen.

Foto: DAF

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