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Liefergrün

Gründerinterview: Nachhaltigkeit ist branchenübergreifend, aber insbesondere in der Logistik das bestimmende Thema der nächsten Jahre

Liefergrün wurde 2020 von Niklas Tauch, Max Schleper und Robin Wingenbach gegründet. Das Start-up setzt sich zum Ziel, Lieferungen auf der letzten Meile nachhaltiger zu machen.

Lesezeit 6 Min.

Natalia Jakubowska, Trans.iNFO: Was genau macht Ihr Start-up?

Niklas Tauch, CEO und Co-Founder von Liefergrün: Liefergrün ist ein nachhaltiger Paketdienstleister, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Paketlogistik emissionsfrei, fair und bequem zu machen. Wir setzen dafür auf E-Vans und Lastenräder in der Zustellung und wollen ein kundenorientiertes Liefererlebnis anbieten. Das bedeutet, dass unsere Kundschaft bereits nach der Online-Bestellung stets über den Stand ihrer Lieferung informiert ist und ihre Sendung in Echtzeit verfolgen kann. Wir bilden die gesamte Post-Purchase Experience ab und verstehen unter einem Liefererlebnis mehr als das Bestellen und Erhalten eines Paketes. Gleichzeitig ist auch unser Sorting-Prozess und die Wahl des Fahrzeuges mit der besten Auslastung soweit automatisiert, dass wir ein Maximum an Effizienz gewährleisten können. Vor allem verstehen wir uns als Technologieunternehmen und erst danach als Logistiker.

Was für ein Problem wird durch Ihr Produkt gelöst? Welche Nachfrage wird damit gedeckt?

Das lässt sich nicht nur auf ein Problem reduzieren. Auf der einen Seite haben wir den Boom im Onlinehandel, der zu einer enormen Paketflut führt. Diese Pakete müssen zugestellt werden und ihren Weg durch die Städte zu uns nach Hause finden. Das Resultat sind verstopfte Straßen, gestresste Zusteller*innen, zu späte Lieferungen und hohe Emissionen. Auf der anderen Seite haben wir die Klimakrise und den dringenden Bedarf, dagegen etwas zu unternehmen. Das nehmen wir sehr ernst und liefern daher emissionsfrei auf der letzten Meile aus. Zudem passen wir unseren Service an die Anforderungen unserer Kund*innen an, sei es durch schnelle Lieferungen oder Echtzeit-Tracking. Man muss sich bewusst machen, dass wir der letzte Berührungspunkt für die Kund*innen mit dem Onlineshop sind. Hier entstehen Kaufentscheidungen. Wir decken mit unserem Konzept die Nachfrage nach einem nachhaltigen und effizienten Liefererlebnis ab.

Was ist Ihre Zielgruppe?

Unsere Zielgruppe sind E-Commerce Händler, die ein hohes Liefervolumen besitzen. Hier haben wir den größten Einfluss mit unserem Service und sprechen damit natürlich auch die Endkonsumenten an. Wir möchten die Standardversandoption für nachhaltige Lieferungen sein. Menschen lieben es bequem online zu bestellen, haben aber häufig ein schlechtes Gewissen wegen der Lieferung. Online-Shopping ohne schlechtes Gewissen, das ist unser Ziel.

Inwiefern entspricht das Produkt den aktuellen Markttrends?

Nachhaltigkeit ist branchenübergreifend, aber insbesondere in der Logistik das bestimmende Thema der nächsten Jahre. Gleichzeitig hat aber auch noch einmal die Covid-19 Krise gezeigt, dass der Bedarf an Digitalisierung in unserer Branche groß ist. Nur Unternehmen, die flexibel und agil auf steigende Anforderungen und neue Gegebenheiten eingehen können, sind wettbewerbsfähig. Wir greifen mit Liefergrün beide Markttrends auf.

Wann und wie sind Sie auf Ihre Gründungsidee gekommen?

Die Idee basiert auf der Vision, Shopping mit Nachhaltigkeit zu verbinden. Ich habe zunächst mit meinen Co-Gründern einen Onlineshop für nachhaltige Lebensmittel aufgebaut, die emissionsfrei ausgeliefert wurden. Die Lebensmittel verkauften sich jedoch nicht so gut, wie die Lieferungen. Viele Unternehmen fragten bei uns an, ob wir nicht für sie grüner ausliefern können. Da wurde uns schnell klar, dass wir mit unserer Idee einen Nerv treffen und uns auf nachhaltige Lieferungen fokussieren sollten. Im Dezember 2020 gründeten wir dann Liefergrün.

Welche Art von Wissen hatten Sie in diesem Bereich während der Gründung Ihres Startups? Und wie haben Sie Ihr Produkt überprüft?

Ich selbst habe sechs Jahre bei Henkel gearbeitet, unter anderem im Global Supply Chain Management und dort die Logistik kennengelernt. Wir haben uns sehr früh in der Gründungsphase beratendes Know-how aus der Logistik dazugeholt. Unser Produkt wurde vor allem durch eigene Erfahrungen mit Partnern auf der Straße überprüft und ständig weiterentwickelt. Es ist also sehr praxisnah und an den Bedürfnissen auf der letzten Meile angepasst entstanden. Die Erkenntnisse sind genutzt worden, um das Produkt vor allem aus technischer Sicht zu entwickeln.

Woher kam das Kapital für Ihr Unternehmen?

Wir haben Anfang 2022 eine erste Seed Finanzierungsrunde in Höhe von 3 Millionen Euro von Speedinvest und Norrsken VC erhalten. Gemeinsam mit unserem neuen Investor eCAPITAL und den beiden Bestandsinvestoren Speedinvest und Norrsken VC konnte danach eine Series-A-Finanzierung in Höhe von 12 Millionen Euro in diesem Sommer abgeschlossen werden, die zuletzt auch noch einmal durch Schenker Ventures erweitert wurde.

Was hätten Sie rückblickend in der Startphase anders gemacht?

Rückblickend würde ich versuchen, unsere Lernkurven noch steiler zu machen und unnötige Fehler zu vermeiden. Beides liegt in der Natur des Gründens. Ich denke, erfahrenes Personal von Beginn an einzustellen oder beratend an unserer Seite zu haben, hätte bereits in früheren Phasen geholfen.

Welche Tipps können Sie anderen Gründerinnen und Gründern geben?

Vor unserer Gründung hatte ich die Gelegenheit, mit Tarek Müller zu sprechen, Gründer von About You, und er sagte: “Was könnte im schlimmsten Fall passieren?” Da steckt sehr viel Wahrheit drin. Mein Tipp ist es loszulegen und es zu versuchen, traut euch. Wenn es nicht klappt, versucht man es halt nochmal. Das Wichtigste ist es, ein starkes Team zu haben, das deine Vision teilt und mit dem du gerne zusammen arbeitest. Vor allem profitiert man von Menschen um sich herum, die mehr wissen als man selbst.

Was ist die größte unmittelbare Herausforderung für Ihr Unternehmen und wo sehen Sie sich selbst in fünf Jahren?

Wir wollen trotz einer globalen Wirtschaft- und Kimakrise nachhaltig wachsen und uns kurzfristig sowohl in Deutschland als auch in Österreich im Standardversand als führender Anbieter nachhaltiger Lieferungen etablieren. Langfristig ist die Expansion in weitere Länder geplant. In fünf Jahren werden wir die größte nachhaltige Tech-Plattform in der Paketlogistik sein. Das wird großartig!

Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up hätten?

Ich denke etwas, mit dem ich auch Einfluss auf eine grüne Zukunft nehmen kann. Wir stehen alle in der Verantwortung, die Klimakrise zu stoppen. Daher ist es mein Ziel, nachhaltige Projekte mit Skalierbarkeit zu verbinden und da gibt es über die Paketlogistik hinaus einen großen Bedarf. Vielleicht wäre ich in der Luftfahrt gelandet, hier sehe ich große Potenziale für Innovationen.

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