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Foto: AdobeStock/industrieblick

Mindestlohn 2026: Warum Logistikverbände gegen 15 Euro pro Stunde sind

Lesezeit 4 Min.

Vier große Logistik- und Transportverbände appellieren in einem offenen Brief an die Mindestlohnkommission, dass eine Erhöhung auf 15  Euro pro Stunde nicht einfach vorgenommen werden darf, ohne dabei zu berücksichtigen, wie stark die Betriebe in den letzten Jahren ihre Produktivität oder die Tariflöhne angepasst haben - sonst drohen Arbeitsplatzverluste.

Ab Januar 2026 könnte in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn von derzeit 12,82 Euro auf bis zu 15 Euro steigen. Doch die vier führenden Verbände der Transport‑ und Logistikbranche – der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), der Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BPEX), der BWVL Bundesverband für Eigenlogistik und Verlader (BWVL) sowie der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) – warnen eindringlich vor einer solch drastischen Erhöhung. In einem offenen Brief an die Mindestlohnkommission und politische Entscheidungsträger machen sie folgende Kernargumente geltend:

  1. Gefahr massiver Arbeitsplatzverluste
    Eine Anhebung auf 15 Euro entspricht einem Zuwachs von fast 58 Prozent seit 2021 (gegenüber aktuell 35 Prozent). Die Verbände rechnen vor, dass bei 150 Euro mehr Netto pro unqualifiziertem Beschäftigten bis zu 30 Prozent der Stellen wegfallen könnten – vor allem im Segment der Ungelernten, das in der Paket‑ und Kurierbranche bis zu 85 Prozent ausmacht.
  2. Produktivität versus Lohnentwicklung
    Seit 2021 sind Tariflöhne in vielen Bereichen nur moderat gestiegen. Ein überproportionaler Mindestlohn „losgelöst von der Produktivitätsentwicklung“ überfordere zahlreiche Unternehmen, die in einer wirtschaftlich schwierigen Phase stecken. Ohne entsprechende Anpassung der Erlöse zwinge dies die Unternehmen zu „produktivitässteigernden Maßnahmen oder zum Marktaustritt“.
  3. Inflations‑ und Wettbewerbsrisiken
    Hohe Lohnkosten würden zwangsläufig auf Preise umgeschlagen, treiben die Inflation weiter an und schwächen den Mittelstand im internationalen Wettbewerb. Zugleich leiden gerade KMU unter steigenden Büro‑ und Abgabenkosten, da diese nicht alle Mehrkosten weitergeben können.
  4. Ungleicher Nettoeffekt
    Wegfallende Arbeitsplätze erhöhen Transferleistungen (z. B. Wohngeld, Hartz IV). Die Netto‑Mehrbezüge durch 15 Euro Mindestlohn blieben mit nur 9 Prozent deutlich hinter der Bruttoerhöhung zurück, wenn Betroffene zugleich Sozialleistungen verlieren.
  5. Erhalt der Tarifautonomie
    Die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission sei zu wahren. Politische Einflussnahmen auf deren Arbeit würden die bewährte Balance der Sozialpartnerschaft untergraben und das Vertrauen in die Lohnfindung schwächen.
  6. Automatisierungsdruck und Langzeitarbeitslosigkeit
    Höhere Löhne beschleunigen den Ersatz einfacher Tätigkeiten durch Maschinen. Beschäftigte ohne Ausbildung fänden kaum alternative Jobs und fielen oft in Langzeitarbeitslosigkeit – mit weiteren Belastungen für Sozialkassen.

Alternativvorschlag: Entlastung über Abgaben

Die vier Verbände befürworten das deutsche Mindestlohnmodell als wichtige Lohnuntergrenze, fordern aber, künftige Erhöhungen klar an Produktivitätsfortschritte und Tariflöhne zu koppeln und die Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission zu wahren.

Anstelle einer überproportionalen Mindestlohnerhöhung schlagen sie vor:

  • Gezielte Abgabenentlastung für Arbeitgeber, insbesondere durch Senkung von Steuern und Sozialabgaben, um die Nettokaufkraft von Beschäftigten zu steigern, ohne Unternehmen zusätzlich zu belasten.
  • Investitionen in Infrastruktur und Bürokratieabbau, um langfristig Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in der Logistik‑ und Transportbranche zu sichern.

Mit diesem Kurs ließen sich faire Löhne, Arbeitsplätze und wirtschaftliche Stabilität gleichermaßen fördern.

Entwicklung von Mindestlohn und allgemeinen Tariflöhnen

Seit 2021 ist der gesetzliche Mindestlohn bereits um 34,9 Prozent auf 12,82 Euro gestiegen. Eine weitere Erhöhung auf 15 Euro ergäbe einen Sprung von 57,9 Prozent. Nachfolgend die Entwicklung von Mindestlohn und allgemeinen Tariflöhnen seit 2021 in Deutschland:

Jahr Absoluter Wert
in Euro
Steigerung des Mindestlohns
in Prozent
Steigerung der Tariflöhne
in Prozent
2021 9,50 1,4
2022 9,82 3,4 1,4
2023 12 22,2 2,4
2024 12,41 3,4 4,3
2025 12,82 33
nächste Anpassung 15 17

Quelle: Statistisches Bundesamt, laut Pressemeldung von BPEX

Hintergrund ist die EU‑Mindestlohnrichtlinie, die eine Lohnuntergrenze von 60 Prozent des nationalen Medianeinkommens empfiehlt – für Deutschland entspräche das rechnerisch rund 15,27 Euro. Während Gewerkschaften und SPD eine solche Höhe anstreben, pochen die Verbände auf realistische, branchenspezifische Lohnzuwächse und gezielte Entlastungsmaßnahmen. Die endgültige Empfehlung der Kommission wird bis Ende Juni erwartet.

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