Polnische EU-Abgeordnete erzählt über die Hintergründe der Arbeiten am Mobilitätspaket: „Der Westen ist überzeugt, dass Veränderungen nur Unternehmen aus Osteuropa betreffen werden”

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Sowohl die Vertreter der TSL-Branche als auch Ökonomen sind sich einig, dass die neue Entsenderichtlinie dazu führen kann, dass Tausende kleiner Unternehmen aus der Transportbranche abgeschottet werden können. Die Befürworter der Änderungen wollen diese Warnungen nicht wahr haben, trotz der Tatsache, dass diese durch zahlreiche Berichte und Analysen untermauert sind. Einige westliche Europaabgeordnete wissen nicht, dass die Änderungen auch Unternehmen aus ihren Ländern betreffen werden. Für viele stellt sich die Frage: Worum geht es aber eigentlich? Wer wird davon profitieren? Die Antwort auf diese und einige andere Fragen finden Sie in unserem Interview mit der EU-Abgeordneten Danuta Jazłowiecka, die sich seit Jahren mit dem Thema der Entsendung von Mitarbeitern beschäftigt.

Wie schätzen Sie die Chancen ein, den Transport von der neuen Entsenderichtlinie auszuschließen?

Die Chancen stehen  50:50 meiner Meinung nach. Natürlich wird viel davon abhängen, wie viele Mitglieder des Ausschusses für Transport (das ist der Ausschuss, der sich mit dem Mobilitätspaket und dem Thema der Entsendung von Arbeitnehmern im Transport beschäftigt), die Schlagkraft haben werden, andere Abgeordnete zu überzeugen, 700 Abgeordnete in dem Fall,  für die Änderungen zu stimmen. Und sollte es während der nächsten Tagung Änderungsanträge geben, die Abgeordneten davon zu überzeugen, nicht dafür zu stimmen. Es wird schwierig sein, weil wir uns seit Monaten damit beschäftigen, weil der Transport  wirklich ein unglaublich komplizierter Sektor ist, in punkto Dientsleistungsexport haben wir viele Konferenzen gemacht, Tausende von Treffen, Verhandlungen und trotzdem hat sich auf der letzten Sitzung herausgestellt, das viele Abgeordnete nicht verstehen, dass das Thema so komplex ist, dass es von der Richtlinie ausgenommen sein sollte.

Wie reagieren die Abgeordneten, die sich für die Änderungen aussprechen, auf wesentliche Argumente und  Berichte, die zeigen, dass dies für Tausende kleiner und mittlerer Transportunternehmen aus ganz Europa der letzte Sargnagel sein kann?

Dies ist eine sehr schwierige Frage für mich. Unter 700 Mitgliedern haben wir verschiedene Ansichten. Es gibt solche, die wirklich sehr darum bemüht sind, sich ein Bild davon zu machen, wie die Situation auf dem Markt aussieht und welche Regelungen möglich sind. Aber es gibt auch eine Gruppe von Abgeordneten, die einfach basierend auf ihrer Perzeption, auf der Grundlage der öffentlichen Meinung, die derzeit leider nicht die beste in Westeuropa in Bezug auf die Bewertung des internationalen Transportes ist, Entscheidungen trifft.

Und wie sehen  die Vertreter der TSL-Branche in Westeuropa die vorgeschlagenen Änderungen ?

Transportunternehmen in Westeuropa sind sich eigentlich in den meisten Fällen  bewusst, dass all diese Regeln auch sie betreffen werden, und dass sie auch diese ganze Bürokratie  auf sich nehmen werden müssen, um die Änderungen in Bezug auf die Entsenderichtlinie,  die die Mitgliedstaaten implementieren werden, in die Praxis umzusetzen. Ich denke, dass der Erfolg von heute oder morgen, den die Länder Westeuropas erreichen wollen, kurzfristig sein wird. In der Tat, am Anfang werden sie glauben, dass alles großartig läuft, nach dem Motto „wir haben gesiegt, Unternehmen aus Mittel- und Osteuropa werden nicht mehr auf unseren Markt kommen”. Dann wird sich herausstellen, dass es auf diesem Markt aber niemanden gibt, und die Berufsfahrer aus Westeuropa werden diesen Job nicht machen wollen. Schon jetzt fehlen in ganz Europa hunderttausend Fahrer.

Wie kann man das Verhalten einiger polnischer EU-Abgeordneter begründen, die gegen die Vorschläge der TRAN-Kommission gestimmt haben, die für Polen von Vorteil waren?

Ich kann diese Frage nicht beantworten. Ich denke, es wäre besser, diese Abgeordneten direkt zu fragen, warum sie eine solche Entscheidung getroffen haben. Ich verstehe das nicht, denn ich weiß, dass Herr Złotowski sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an der Erarbeitung dieser Lösungen beteiligt hat. Ich verstehe das einfach nicht, denn diese Lösungen sind für polnische Frachtführer und polnische Kraftfahrer nicht akzeptabel.

Es war ein Kompromiss.

Es war ein großer Kompromiss, denn die Unterstellung des Transports, ich meine zum Beispiel die Kabotage, erfordert die Einführung von Bürokratie in diesem Sektor. Das ist sehr schwierig, also war es auch ein schwieriger Kompromiss.

Warum erstreben einige westliche Politiker die Änderung der Richtlinie so sehr einschliesslich der Einbeziehung des Transports in die Entsenderichtlinie? Womit ist es begründet Lösungen anzustreben, die von Ökonomen als schädlich für den Binnenmarkt definiert werden?

Ich versuche immer, die andere Seite zu verstehen, mich in meine Kollegen hineinzuversetzen, die für die Beschränkungen sind. Es tut mir leid dies sagen zu müssen, aber manchmal höre ich solche Antworten: „Danuta, du hast Recht. Es ist begründet, was du sagst. Nun, aber ich habe Wahlen in einem Jahr und ich muss diese gewinnen. ” Ich denke, dass hier auch ein bisschen die Gesellschaften schuld sind, die einfach nicht versuchen, auf rationale Argumente zu hören, nicht versuchen, eine gegebene Situation zu betrachten, sondern nur populistische Slogans, populistische Meinungen zu an sich ranlassen. Dann versuchen sie auch bei  Politiken ein populistisches Verhalten zu erzwingen, weil einerseits dieser Politiker zum Beispiel einen Fehler machen kann, indem er sich populistischen Lösungen unterwirft, aber andererseits kann er ein sehr guter Abgeordneter sein und für ein bestimmtes Land von großem Wert sein. Und ich denke, dass dies auch eine Aufgabe für uns ist, für die Gesellschaften, in denen wir verantwortungsbewusster und verlässlicher handeln werden und nach realen Bildern streben. Unglücklicherweise verursachen soziale Medien, dass diese Bilder schrecklich unscharf sind, und wir haben keine Zeit, nach diesen realen Bildern zu suchen, um wirklich zu entscheiden, wie mich diese Person im Parlament  repräsentieren sollte.

Wie groß die Chance ist, dass der Transport bis 3,5 Tonnen auch durch ähnliche Vorschriften wie der Schwertransport geregelt wird. Es gibt solche Meinungen. Hin und wieder gibt es Informationen, dass es möglich ist. Wie sieht es momentan aus?

In der vom Beschäftigungsausschuss angenommenen Lösung wurde eine solche Lösung angenommen, dass alle leichten Nutzfahrzeuge  unter diese Richtlinie fallen, d. h. alle Fahrzeuge, die Dienstleistungen ausfüllen. Die vom Verkehrsausschuss vorgeschlagene Lösung besagt jedoch, dass die von der Entsendungsrichtlinie erfassten Vorschriften Fahrzeuge ab 2,4 Tonne aufwärts, die internationale Beförderungsdiensleistungen erbringen, auch betreffen  (ich meine hier die Kabotage und all die anderen Arten des internationalen Transports).

Also eigentlich fast alle.

Ich glaube nicht alle, denn ich erinnere mich, dass wir  lange darüber diskutiert haben und wir haben tatsächlich analysiert, wie es in der gesamten Europäischen Union aussieht, denn es gibt auch viele solche Autos: 2,2  oder 1,8 Tonnen, ich glaube, dass der Wert 2,4 Tonnen das Ergebnis der Verhandlungen war. Bitte denken Sie daran, dass wir Europa als Ganzes betrachten müssen.Vielleicht ist es auch erwähnenswert, dass Transportunternehmen, in den meisten Fällen Transportunternehmen in Westeuropa nicht bewusst sind, dass sie auch von der Entsendung betroffen sein werden, denn die Botschaft lautet: „Wir bereiten eine Richtlinie vor, damit der Transport aus  Mittel- und Osteuropa unsere Märkte nicht überflutet”. Also denkt jeder: „Oh, diese Vorschriften werden nur für den Transport in Osteuropa gelten.” Und wenn sich plötzlich herausstellt, dass sie auch für sie rechtsgültig sind, werden sie wie folgt reagieren: „Wir auch? Das ist unmöglich! ”

Foto:Trans.INFO

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