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Foto: Natalia Janiszewska

Flaute statt Aufschwung: Polnische Transportunternehmen bangen um ihre Zukunft

Wer auf einen kräftigen Aufschwung in der Transport-und Logistikbranche hofft, könnte enttäuscht werden. Die Lage wird sich bessern, aber eine Wende steht nicht an, betonten Branchenexperten in einer von Trans.iNFO während der Messe TransLogistica Poland organisierten Podiumsdiskussion.

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Das Thema der aktuellen und künftigen Herausforderungen für die Transport- und Logistikbranche stand im Mittelpunkt der während der Messe TransLogistica Poland von Trans.iNFO organisierten Podiumsdiskussion. Zur Teilnahme an der Debatte hat die Redaktion die Vertreter der größten polnischen Transportunternehmen eingeladen – Ellina Lolis, Geschäftsführerin bei Maszoński Logistic und Grzegorz Borowicz, Geschäftsführer bei Omega Pilzno Logistics. Dr. Maciej Stajniak – Prorektor an der Hochschule für Logistik – nahm ebenfalls an der Diskussion teil.

Ich erwarte ein herausforderndes Jahr, sagte Ellina Lolis.

Doch sogleich fügte sie hinzu, dass obwohl viele Berichte auf die Möglichkeit einer Erholung in der Wirtschaft hindeuten, sie jedoch anhand von Gesprächen mit Kunden davon ausgeht, dass der wirtschaftliche Abschwung anhalten wird. Vor allem Unternehmen, die internationale Transporte durchführen, werden diesen zu spüren bekommen.

In Polen können wir auf eine leichte Erholung hoffen, während wir in Europa zumindest für die ersten sechs Monate, wenn nicht sogar für drei Quartale, mit einer Fortsetzung der Rezession rechnen, so Lolis.

Grzegorz Borowicz wagte dagegen mehr Optimismus.

Wenn man die historischen Daten und die Trends der letzten 10-12 Jahre betrachtet, ist eine Wende Mitte des nächsten Jahres möglich. Am Anfang wird es natürlich nur ein Kriechen aus dem Loch sein. Allerdings wird alles davon abhängen, ob Black Swans auftauchen werden, betonte der Geschäftsführer von Omega Pilzno Logistics.


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Erster  „Schwarzer Schwan” am Horizont

Unterdessen können wir bereits jetzt schon das erste unerwartete Ereignis beobachten. Gemeint ist damit die vor kurzem angekündigte drastische Erhöhung der Maut in Deutschland.

Die Erhöhung ist nicht unerheblich, denn die Kosten werden bis zu 80 Prozent steigen. Die Branche hat zwar damit gerechnet, denn es handelt sich um eine Umsetzung von EU-Richtlinien, das Ausmaß ist jedoch überraschend, sagte Dr. Maciej Stajniak.

Er fügte hinzu, dass die Mauterhöhung einen Anstieg der Eigenkosten der Unternehmen bewirken wird, was letztendlich wahrscheinlich einen Anstieg der Frachtpreise zur Folge haben wird.

Ellina Lolis betonte, dass viele Kunden erwarten, dass Transportunternehmen die Kosten übernehmen werden.

Dabei kann das Transportunternehmen nicht der einzige Kostenträger sein, kritisierte Lolis eine solche Erwartungshaltung und betonte, dass die Kosten auf alle Teilnehmer der Lieferkette verteilt werden sollten.

Wenn nur Frachtführer die Kosten übernehmen, werden einige von ihnen, um es brutal auszudrücken, dicht machen müssen, sagte Lolis und fügte hinzu, dass sogar eine vorübergehende Stilllegung eines Teils der Flotte als möglich Option aufgenommen wird, um die Kosten und Verluste nicht noch weiter zu eskalieren.

Interessanterweise hat Borowicz auch einen positiven Aspekt der Mauterhöhung entdeckt. Er betonte, dass sich die Mauterhöhung im Gegensatz zu vielen anderen Maßnahmen der letzten Jahre nicht gegen Frachtführer aus bestimmten Ländern richtet.

Die Mauterhöhung betrifft alle, egal ob es sich um Frachtführer aus Polen, Deutschland oder Frankreich handelt. Alle müssen zahlen, sagte er.

Der Geschäftsführer von Omega Pilzno war auch der Meinung,  dass sich die Mauterhöhung nur zeitweilig auf die Situation der Transportunternehmen auswirken wird.

Ich erwarte keine große Revolution. Nach einer zwei bis dreimonatigen Unruhephase werden sich die Frachtpreise wieder stabilisieren, versicherte er.


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Droht eine Kostenlawine?

Der Anstieg der Mautgebühren in Deutschland ist jedoch Teil eines größeren Problems, das die Branche in Atem hält.

Wir erwarten ein unruhiges Jahr. Wir werden die Kosten weiter optimieren, und die meisten Transportunternehmen werden sich darauf konzentrieren, die Kosten zu drücken, sagte Lolis.

Parallel betonte sie, dass die Betriebskosten weiter steigen werden, da außer der Erhöhung der Maut in Deutschland, den steigenden Kraftstoffpreisen und der Nachrüstpflicht für Fahrtenschreiber eine Erhöhung des Mindestlohns in Polen hinzu kommt.

Auch Borowicz äußerte die Sorge, dass die ständig steigenden Kosten die Wettbewerbsfähigkeit der polnischen Transportunternehmen auf dem europäischen Markt beeinträchtigen werden.

Zwei Aspekte geben polnischen Frachtführern einen Vorsprung – wir haben niedrigere Gesamtbetriebskosten und wir arbeiten härter.Ich möchte nicht, dass im Wettbewerb mit ausländischen Unternehmen nur noch der Aspekt der harten Arbeit übrig bleibt. Aber darauf läuft alles hinaus.Und das ist sehr gefährlich für uns, warnte er.

Doch trotz schwieriger Zeiten glauben die Diskussionsteilnehmer an die Stärke des polnischen Transportgewerbes.

Dr. Stajniak betonte, dass die Transport-und Logistikbranche in Polen in den letzten 4-5 Jahren mit vielen Problemen zu kämpfen hatte. Und dennoch, obwohl unser Land im Jahr 2020 auf Platz 4 der größten Transportunternehmen in Europa lag, steht es jetzt an erster Stelle.

Trotz aller Probleme haben der polnische Fleiß und die Weitsicht uns auf den ersten Platz gebracht, sagte Dr. Stajniak abschließend.

Was die Transport- und Logistikbranche betrifft, so bin ich immer optimistisch, denn diese hat schon andere Turbulenzen überstanden, betonte er.

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