Der Streit ist vom Tisch. Vorerst. Nachdem das Bundeskabinett im März nach monatelangem Ringen den Entwurf zum Lieferkettengesetz (LKG) beschlossen hatte, ist in den betroffenen Politikerkreisen erst einmal Ruhe eingekehrt. Bis Mitte/Ende Oktober 2021 allerdings soll das Gesetz stehen. Denn dann endet die aktuelle Legislaturperiode …
Derweil macht sich Unruhe in anderen Kreisen breit: Menschenrechts- und Umweltverbänden geht der Entwurf nicht weit genug, Unternehmerverbände beklagen dagegen dessen Praxisferne und den Bußgeldkatalog, der Strafen von bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes vorsieht.
Wie auch immer – das Gesetz wird kommen, nach dem Willen der Bundesregierung bereits zum 1. Januar 2023. Und mit ihm eine Herausforderung, die den Betroffenen noch viel Kopfzerbrechen bereiten wird. Das prophezeit zumindest Dr. Ulrich Franke, Management Consultant bei Cassini. „Ein Gesetz ist nur so gut wie die praktische Umsetzung und deren Kontrolle“, sagt er. Beim Lieferkettengesetz sei dafür im Sinn der geplanten Regelungen eine lückenlose Transparenz der Transaktionen erforderlich. Eine logistische Mammutaufgabe. „Wie wollen Sie als deutscher Kaffeegroßhändler sicherstellen, dass auf der Kaffeeplantage in Kolumbien keine Kinder arbeiten“, fragt der Logistikexperte. Um das festzustellen, sei daher eine Art Wachhund notwendig, der sich durch nichts beeinflussen lässt und die Lage vor Ort checkt. Und einen Namen habe dieses Kontrollorgan auch schon – Blockchain.
Die Blockchain-Technologie ist zwar noch relativ jung, in der Praxis hat sie sich aber längst bewährt, man denke nur an Kryptowährungen wie Bitcoin“, erklärt Franke. Die Blockchain habe das Potenzial, nicht nur das Management der Lieferketten erheblich zu vereinfachen, sondern auch die Nachverfolgbarkeit von Waren und Dienstleistungen fälschungssicher abzubilden. Einige Großunternehmen wie IBM oder Walmart hätten schon entsprechende Pilotprojekte auf die Schiene gesetzt, und zwar „mit erstaunlich positiven Ergebnissen“.
Wie Franke ausführt, sei eine klassische Blockchain eine wachsende Liste von Datensätzen, die Blöcke genannt werden und mit Hilfe von Kryptografie verknüpft sind.
Jeder Block enthält einen kryptografischen Hash des vorherigen Blocks, einen Zeitstempel und Transaktionsdaten“.
Außerdem werden auf vielen Servern gleichzeitig immer dieselben verknüpften Blöcke abgelegt, die in kurzen Abständen immer wieder neu abgespeichert werden, so der Fachmann. „Vom Design her ist eine Blockchain damit resistent gegen die Veränderung ihrer Daten. Das liegt daran, dass die Daten in einem bestimmten Block, sobald sie aufgezeichnet wurden, nicht mehr rückwirkend geändert werden können, ohne dass sich alle nachfolgenden Blöcke ändern.“ So wird eine Blockchain fälschungssicher und schafft vertrauen, dass die dort hinterlegten Daten auch die wirkliche Wahrheit sind.
Die Zeit läuft
Bis zum Einsatz einer allumfassenden Blockchain im Supply-Chain-Management wird es aber noch dauern, vermutet Franke. Denn der Entwurf zum Lieferkettengesetz sieht vor, dass zunächst nur der eigene Geschäftsbetrieb und der nächste Zulieferer in die Verantwortung genommen werden.
Ein Zugeständnis von Wirtschaftsminister Peter Altmaier“, so Franke. „Die Minister Müller und Heil wollten stets die Verantwortung für die gesamte Lieferkette vom Rohstoff bis zum Verbraucher.“
„Das Gesetz gilt zunächst für Unternehmen gleich welcher Rechtsform mit Sitz oder Hauptverwaltung in Deutschland, wenn sie in der Regel mehr als 3000 Arbeitnehmer beschäftigen“, sagt der Logistikexperte. „Dieser Wert sinkt ab dem 1. Januar 2024 dann auf 1000 Mitarbeiter.“
Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass mit dieser Eingrenzung zwischen 2000 und 3000 Unternehmen in Deutschland betroffen sind und man im Ergebnis also den klassischen Mittelstand daher außen vorlasse.
Ursprünglich sollte das Gesetz ja schon bei 500 Arbeitnehmern greifen. Da wäre der Kreis der Betroffenen deutlich größer gewesen.“
Es sei aber sicher, dass noch eine Verschärfung kommt, sagt Franke und verweist auf einen aktuellen Bericht des Europäischen Parlaments. So sollen Risiken für die Verletzung von Menschenrechten und Umweltstandards auch bei Tochterunternehmen und Zulieferern überprüft werden.
Die Europaabgeordneten wollen, dass alle Unternehmen ihre Vorprodukte prüfen“, erklärt Franke. „Neben großen Unternehmen auch mittlere und kleine Firmen, sofern diese börsennotiert sind oder ein besonderes Risiko aufweisen.“ Das geplante EU-Gesetz soll nach den Worten des Experten ebenso für Firmen gelten, die ihren Sitz zwar nicht in der EU haben, aber im Binnenmarkt tätig sind. „Die Kommission hat angekündigt, dass sie ihren Gesetzesvorschlag zu diesem Thema noch in diesem Jahr vorlegen wird.“
Wer seine Pflichten aus dem LKG nicht erfüllt, so Franke weiter, kann von der zuständigen Behörde dazu angehalten werden. „Die Behörden haben einen gut gefüllten Instrumentenkasten, um das Gesetz durchzusetzen.
So könne sie Personen laden und befragen, Grundstücke betreten und Unternehmen Handlungen zur Erfüllung ihrer Pflichten aufgeben. „Wer nicht mitmacht, kann mit Zwangsgeldern dazu gezwungen werden. Zudem drohen empfindliche Bußgelder und Strafen, je nach Vergehen 100.000 bis 800.000 Euro. Übersteigt der weltweite durchschnittliche Jahresumsatz des Unternehmens 400 Millionen Euro, kann das Bußgeld sogar bis zu zwei Prozent des Umsatzes betragen.“
Franke rät Unternehmern, so schnell wie möglich die Weichen für die Umsetzung des geplanten Lieferkettengesetzes zu stellen.
Die Blockchain als Wachhund in der Lieferkette könnte zumindest für Großunternehmen ein attraktiver Ansatz sein, um Ökologie, Menschenrechte und Ökonomie unter einen Hut zu bringen. So Dr. Ulrich Franke, Management Consultant
Das neue Gesetz wird sicherlich zunächst zu ökonomischen Nachteilen führen, zum Beispiel durch den erhöhten administrativen Aufwand für das geforderte Risikomanagement in der Lieferkette. Diesen kann man jedoch durch die Verknüpfung von digitalen und rechtlichen Lösungen gut begrenzen und somit auch die zusätzlichen Kosten minimieren. Auf der anderen Seite können sich aber auch deutsche Unternehmen durch den Nachweis der Einhaltung von Nachhaltigkeit und menschenrechtlicher Sorgfalt in ihren Lieferketten einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten und damit unterm Strich profitabler werden.“ „Das ist auch eine Chance“, meint Schork.
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