TransInfo

Fot. Girteka

[EXCLUSIV NUR BEI UNS] Edvardas Liachovičius, CEO von Girteka: „Die Digitalisierung ist notwendig. Sie hilft, die Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und die Auswirkungen des Mobilitätspakets auszugleichen”.

Lesezeit 22 Min.

In einem Exklusivinterview für trans.info erklärt der Geschäftsführer des größten Straßengüterverkehrsdienstleisters Europas, wie das Unternehmen den Lockdown überstanden hat, wie es sich auf das Mobilitätspaket vorbereitet und warum der Respekt vor den Fahrern und der Umgang mit dem Kraftstoffverbrauch, der fast schon ein Kredo ist, die Grundlage für die Rentabilität des Unternehmens sind.

Szymon Knychalski: Zunächst muss ich Ihnen natürlich eine Frage stellen: Wie hat Girteka die Zeit des Lockdowns überstanden?

Edvardas Liachovičius: Besonders schwierig war es für uns in März, als wir die ersten Nachrichten aus Italien erhielten. Schon damals haben wir mit Blick auf unsere Mitarbeiter und Kunden einige schwierige Entscheidungen über unseren weiteren Betrieb getroffen. Das oberste Ziel war es, alle Arbeitsplätze zu erhalten und unsere Mitarbeiter in dieser schwierigen Zeit nicht zu zwingen, sich anderswo nach einem Arbeitsplatz umzusehen.

Ziel Nummer zwei war es, unsere Kunden nicht zu enttäuschen. Obwohl wir verschiedene Ideen hatten, darunter nicht nach Italien zu fahren, beschlossen wir,

dass wir alle unsere Fahrzeuge, von denen wir mehr als 7.000 haben, im Einsatz lassen. Und das ist uns in dieser schwierigen Phase gelungen.

Es war keine leichte Entscheidung, denn in kurzer Zeit mussten wir unsere gesamte Transportorganisation umgestalten.

Zum Beispiel: Zuerst verschwanden vom Markt Frachten nach Italien und gleichzeitig stieg die Nachfrage nach Frachtexporten aus diesem Land. Die Kunden wollten so viele Waren wie möglich aus Italien exportieren, da sie eine Verschlechterung der Situation erwartet hatten. Es war ein enormer Aufwand für unsere Planer, und wir waren gezwungen, Leerfahrten zu erhöhen. Die Autos fuhren recht häufig leer von Frankreich und sogar von Polen nach Italien. Es war eine schwierige Zeit, aber wir haben unsere Arbeitsplätze behalten und sind unseren Kunden gegenüber Verpflichtungen eingegangen.

Wird irgendeine von den Veränderungen, die Sie in dieser Zeit vorgenommen haben, Ihre langfristige Strategie beeinflussen oder Ihr Verhalten in Zukunft ändern?

Das glaube ich nicht. Aufgrund der Prioritäten, die ich vorhin erwähnt habe, haben wir im März beschlossen, unser Wachstum einzuschränken und unsere Investitionen in diesem Jahr zu reduzieren, aber wir werden unsere Ziele nach einem halben Jahr, oder vielleicht nach einem Jahr, erreichen.

In diesem Zusammenhang lohnt es sich auch zu erklären, warum Girteka ein besonderes Unternehmen ist und wie wir sich von anderen auf dem Markt unterscheiden. Wir sind Spezialisten für Kühltransporte, 80% unserer Auflieger sind Kühlwagen. Und wir haben ein Sprichwort in der Firma, das besagt, dass „Menschen gewohnt sind, 3 Mal am Tag zu essen”…

…und das hat sich auch während der Pandemie nicht wirklich geändert…

Während der Pandemie haben sie vielleicht sogar noch mehr gegessen. Die Rezession hat sich also nur im begrenzten Maβe auf uns ausgewirkt. Als die Industrie 2008-2009 von einer großen Krise getroffen wurde, war es ähnlich – es stellte sich heraus, dass sie im Bereich der Kühltransporte nicht so groß war. Die Kühlindustrie ist nicht einfach. Sie braucht mehr Investitionen und bringt weniger Gewinn. Sie erfordert engere Beziehungen zu den Kunden, da es relativ weniger Kunden im Kühlsektor gibt. Sie ist aber auch stabiler und rezessionsresistenter.

Wie wird also das Jahr 2020 für Girteka enden?

Im Bereich der Kühltransporte sind das letzte und das erste Quartal entscheidend für das ganze Jahr. Es ist also wirklich schwer, diese Frage an dieser Stelle zu beantworten. Schon heute hoffe ich, dass wir dieses Jahr ohne rote Zahlen abschließen können. Wir werden ein kleines Wachstum und eine positive Rentabilität haben. In dieser Situation wird es wirklich ein Erfolg sein.

Foto: Girteka

Besonders in der Situation, in der viele, vor allem westliche Unternehmen bereits ankündigen, dass ihre Ergebnisse für 2020 schwach ausfallen könnten. Sie werfen den östlichen Unternehmen vor, den Markt zu verderben. Während der Pandemie ist dies besonders deutlich geworden.

Da wir im Transportsektor arbeiten, würde ich dies mit folgendem Vergleich kommentieren: „unser eigenes Fernlicht blendet uns nie”. – Jeder sieht die Dinge von seinem eigenen Standpunkt aus. Der internationale Verkehr ist ein großer, gemeinsamer Markt. So ist es und so war es. Ob es so bleiben wird, das wird sich nach dem Mobilitätspaket herausstellen. Wahrscheinlich wird es sich ändern.

Letztendlich wird dies vom Grad der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seinen Managementfähigkeiten abhängen. Unsere Kunden, unsere Fahrer, Mitarbeiter, Spediteure wählen wahrscheinlich bewusst denjenigen aus, der ihren Erwartungen am besten entspricht. So funktioniert der freie Markt.

Der freie Markt ist, genau wie die Demokratie, schwierig, aber die Menschen haben nichts Besseres erfunden. Das ist das Beste, was uns dazu bringt, besser zu sein als gestern.

Wie sieht die aktuelle Marktsituation aus Ihrer Sicht aus? Gibt es Daten, die auf eine drastische Verknappung des Transportvolumens und steigende Raten hinweisen?

Unsere Beobachtungen zeigen, dass das ohnehin schon geringe Ungleichgewicht in der Größenordnung von 5-10 Prozent zwischen der Ladung und den verfügbaren Fahrzeugen große Veränderungen in den Marktpreisen beeinflusst. Und wir sehen auch einige Zyklen im europäischen Verkehr. Zum Beispiel gab es in den Jahren 2016, 2017, vielleicht sogar 2018 einen Anstieg der Raten und eine Verknappung der Transporte. Im Jahr 2019 hatten wir eine völlig andere Situation. Es gab mehr Fahrzeuge als Frachten. In einer solchen Krise, wenn die Raten sinken, reduzieren die Transportunternehmen ihre Aktivitäten, gruppieren sich um, verändern die Märkte, so dass es wieder zu einer Transportknappheit kommt und die Raten steigen. Wie es in diesem Jahr sein wird, ist schwer zu sagen, aber es passiert immer.

Es lässt sich nicht leugnen, dass die Raten während der Pandemie stark gesunken sind. Gleichzeitig sind die Kraftstoffpreise gesunken, so dass wir profitabel bleiben konnten. Jetzt befinden wir uns in einem Moment des Wachstums, und ich vermute, dass November und Dezember im Kühltransport sehr gut sein wird. Es fällt mir schwer, über Planentransport zu sprechen…

…und nach dem neuen Jahr?

Meiner Meinung werden die Raten im Kühltransport im Neujahr bis hin zu Ostern immer noch hoch sein. Im 2. und 3. Quartal könnten sie auf dem jetzigen Niveau bleiben, mit einer möglichen Anpassung in Abhängigkeit vom Ölpreis.

Lassen Sie uns zum Mobilitätspaket zurückkehren, denn es wird der wichtigste Faktor sein, der den Markt in den nächsten 2-5 Jahren prägen wird. Dazwischen gibt es noch Brexit, dessen Auswirkungen auf einige Märkte und Industrien mit den Auswirkungen der Pandemie vergleichbar sein können… Wird Girteka in irgendeiner Weise von Brexit betroffen sein ?

Es wird jeden treffen, auch wenn er nicht nach Großbritannien fährt. Die Veränderungen in diesem Markt, auf dem gemeinsamen Markt, werden sich auf das von mir bereits erwähnte Gleichgewicht zwischen Fracht und Aufliegern auswirken. Das Mobilitätspaket ist jedoch  etwas ganz anderes.

Wie wird es sich Ihrer Meinung nach auf den Markt auswirken?

Das Hauptziel des Mobilitätspakets besteht darin, die Arbeitsbedingungen der Fahrer zu verbessern, indem bestimmte Standards festgelegt werden, die für alle Marktteilnehmer gelten werden. Dies ist wirklich ein Ziel, das wir unterstützen. Fahrer sind die treibende Kraft hinter unserem Geschäft. Die Art und Weise, wie diese Idee umgesetzt wird, sieht manchmal etwas merkwürdig aus.

Ich kann es zum Beispiel nicht nachvollziehen, dass die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer etwas damit zu tun haben soll, dass die Lkw alle 8 Wochen in das Zulassungsland zurückgebracht werden.

Aber diese Veränderungen stehen nun fest und sie werden in Kraft treten.

Für einige Länder werden diese Änderungen sehr groβ sein, für andere werden sie minimale Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Für Länder, die näher an Mitteleuropa liegen, wie z.B. Polen, könnte es letztendlich sogar von Vorteil sein. Für Randländer, die weit von den Hauptverkehrskorridoren entfernt sind, wie z.B. Litauen, Lettland, Bulgarien und Rumänien, könnte dies ein ernstes Problem darstellen. Es wird auch kein Problem für große Unternehmen sein, bei denen es sich in der Regel um Unternehmen mit vielen internationalen Niederlassungen handelt.

Die größte Gefahr des Pakets wird für kleine Unternehmen und für Länder, in denen der Verkehr einen großen Anteil am Inlandsprodukt hat, bestehen. Im europäischen Durchschnitt liegt er bei 5-6 Prozent, in Litauen zum Beispiel beträgt dieser Anteil sogar 13 Prozent. Das Paket wird auch die Zahl der Leerfahrten erhöhen, so dass es sich nicht nur auf die Rentabilität der Unternehmen, sondern auch auf die Umwelt auswirken wird. Man sollte diese sozialen Auswirkungen des Pakets auch nicht vergessen.

Ergreift Girteka irgendwelche spezifischen Maßnahmen, um sich auf diese Veränderungen vorzubereiten und seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten? Insbesondere im Zusammenhang mit diesen Rückfahrten in das Land der Fahrzeugzulassung?

Unsere Lkw sind schon seit langem nicht nur in Litauen zugelassen. Wir lassen sie auch in Polen, Deutschland, Russland, Norwegen und Dänemark zu. Es wird also sicherlich Veränderungen in der Zulassungsbilanz zwischen diesen Niederlassungen geben.

Wir können also reibungslos zu Polen übergehen, denn ich verstehe, dass die Niederlassung, die Girteka 2019 in Polen eröffnet hat, im Rahmen des Mobilitätspakets eine große Rolle spielen kann.

Das Paket war nicht der Hauptfaktor, weshalb wir beschlossen haben, eine Niederlassung in Polen zu eröffnen. Wir wollten einfach näher an unseren Kunden sein.  Wir haben seit 20 Jahren Kunden, für die wir viel Fracht aus Polen befördern. Die zweite Sache ist, dass der Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften umso besser ist, je größer das Land ist.

Wie ist die Situation in dieser Niederlassung? Wie viele Fahrer werden hier beschäftigt?

Im Moment haben wir in Polen etwa 700 Auflieger und beschäftigen etwa 1500 Arbeiter.

Wir erwarten, dass wir bis zur Wende des zweiten und dritten Quartals 2021 1000 Lkw mit polnischer Zulassung haben werden.

Beabsichtigen Sie auch die Einstellung von Frachtführern – Subunternehmern in Polen?

Wir tun dies seit 15 Jahren. Obwohl wir hauptsächlich unsere eigene Flotte einsetzen, erhöhen wir jedes Jahr die Zahl unserer Subunternehmer, vor allem in Polen.  Gegenwärtig werden 50 % unserer Fracht von polnischen Frachtführern geliefert, und dieser Prozentsatz wächst von Jahr zu Jahr.

Sie werden also hauptsächlich Fahrer einstellen?

Ja, es ist unwahrscheinlich, dass wir schnell Lkw ohne Fahrer sehen werden. Aber nicht nur Fahrer. Unsere Niederlassung ist bereits ein großes Unternehmen, auch in Polen, so dass wir auch andere Mitarbeiter einstellen. Ich denke, dass wir als größter europäischer Frachtführer mit einer eigenen Flotte unseren Mitarbeitern viel zu bieten haben.

Stimmt. Wie machen Sie das? Während der Markt über den Mangel an Fahrern klagt, beschäftigen Sie 15.000 Fahrer und haben ehrgeizige Pläne, diese Zahl zu vervielfachen? Wie können Sie sie gewinnen und halten?

Ja, wir haben dieses Problem nicht. Ich denke, das beweist, dass Girteka ein guter Arbeitgeber ist. Viele Fahrer, sowie ihre Familien, arbeiten seit mehreren Jahren für uns. Darüber hinaus empfehlen sie weitere Familienangehörige oder Freunde. Der Respekt vor unseren Mitarbeitern ist für uns sehr wichtig. Wir behandeln Fahrer und Büromitarbeiter gleich, wir haben keine verschiedenen Standards. Wir haben also eine relativ geringe Personalfluktuation, vergleichbar mit der Fluktuation in Familienunternehmen.

Es ist nicht einfach – wettbewerbsfähig zu sein und gleichzeitig gute Arbeitsbedingungen zu garantieren.

Und die Arbeit ist sehr schwierig. Zunächst einmal ist es eine Trennung von der Familie. Zweitens gibt es hier oft keine Grenze zwischen Tag und Nacht. Drittens: Fahrten in Doppelbesatzung, die für Kühltransporte besonders sind. Es ist schwer zu verstehen, wie hart und wertvoll die Arbeit unserer Fahrer ist. Eine Person, die noch nie in dieser Industrie gearbeitet hat, wird dies nicht verstehen.

Foto: Edvardas Liachovičius, CEO von Girteka

So wie ich es verstehe, konzentrieren Sie sich also noch mehr auf die geringe Fluktuation als auf die Rekrutierung?

Einfach gesagt: die geringe Fluktuation ist Voraussetzung für unsere Rentabilität.

Eine hohe Fluktuation ist für das Unternehmen extrem teuer. Die Arbeit der Fahrer mit wenig Erfahrung ist teuer, besonders wenn wir für unsere Kunden einen qualitativ hochwertigen Service aufrechterhalten wollen. Eine niedrige Fluktuation, d.h. die Arbeit mit erfahrenen Fahrern, bedeutet einen niedrigen Kraftstoffverbrauch, die Reduzierung verschiedener Probleme, die ihnen auf der Straße passieren können. Das Hauptziel ist also nicht die Einstellung, sondern die Beibehaltung des Arbeitnehmers für mindestens 5 Jahre in Girteka. Das streben wir an.

Und doch gab es in diesem Jahr eine ziemlich große Medienberichterstattung über den Fahrerstreik, der in Girteka stattfand…

So muss es wohl sein, dass die Medien uns, als dem größten Transporteur in Europa, ziemlich viel Aufmerksamkeit schenken. In Girteka gab es keinen Streik, auch nicht im Jahr 2020. Was die Medien als Streik darstellten, hing mit der Tatsache zusammen, dass wir in Zeiten der Pandemie die schwierigen Entscheidungen getroffen haben, über die wir zu Beginn des Gesprächs sprachen. Verschiedene Unternehmen ergriffen damals unterschiedliche Maβnahmen. Wir wollten die richtige Bilanz finden, um alle Arbeitsplätze und unsere langfristigen Pläne zu erhalten. Wir konnten es uns nicht leisten, unter dem Strich zu arbeiten. Deshalb haben wir die schwierige Entscheidung getroffen, das Tagegeld der Fahrer, aber auch unserer Verwaltung vorübergehend zu reduzieren. Wir haben ihre Gehälter nicht gekürzt. Dies war eine kurzfristige Maßnahme, und wir haben uns längst von der Pandemie erholt. Und das hat es uns ermöglicht, eine angemessene Rentabilität und alle Arbeitsplätze zu erhalten.

Vielmehr – in Girteka ist es so, dass alle Fahrer meine Telefonnummer haben.

Sie können mich auch über WhatsApp oder Viber kontaktieren. Während dieser Zeit habe ich vielleicht 2 Telefonanrufe von den Fahrern erhalten. Ich weiss sehr gut, wie es ihnen geht, ich spreche jeden Tag mit ihnen. Das ist für mich nicht weniger wichtig als ein Gespräch mit einem Kunden. Ich glaube wirklich, dass wir gut erklärt haben, warum wir das tun, und dass die meisten Mitarbeiter von Girteka es verstanden haben.

Aber wir hatten in Europa viele Beispiele für Unternehmen, die Dutzende oder Hunderte von Lkw auf Parkplätzen stehen lassen haben und die Fahrer nach Hause schicken mussten. Für ein oder zwei Monate. Wie sollten diese Fahrer damals damit zurechtkommen? Schließlich haben sie Verpflichtungen gegenüber ihren Familien, gegenüber sich selbst. Bei Girteka war es anders. Wir versuchen immer, solche Entscheidungen zu treffen, auch schwierige, aber wir tun es immer mutig und erklären unseren Mitarbeitern immer, warum wir es tun.

Sie haben vorhin diese Autos ohne Fahrer erwähnt. Mir fiel gerade ein, dass Sie Tesla Semi bei Elon Muska bestellt haben – wissen Sie noch etwas mehr darüber? Hat man Ihnen mitgeteilt, wann das Fahrzeug bereit sein wird?

Ja, wir haben es 2017 bestellt, als Vorreiter in Europa. Wir haben eine Anzahlung gemacht, aber im Moment kennen wir das genaue Lieferdatum noch nicht. Wir hoffen, dass wir es endlich bekommen. Bei diesem Geschäft mit Tesla ging es mehr um unsere soziale Verantwortung und die Notwendigkeit, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Wir nehmen diese Angelegenheit sehr ernst. Es scheint, dass ab 2017 100 Prozent unserer Auflieger in Europa die Euro-6-Norm erfüllen.

Zunächst einmal haben wir eine sehr starke Fahrerakademie, die versucht, den Kraftstoffverbrauch und damit die CO2-Emissionen zu reduzieren. Dies ist eine Art „Kredo” bei Girteka.

Wir haben eine spezielle Öko-Liga, in der die Fahrer miteinander konkurrieren, und das motiviert sie zusätzlich. Seit mehreren Jahren haben wir ein Team von mehr als 40 Trainer, die an der Ausbildung von Fahrern beteiligt sind. Man kann dies als eine separate Abteilung für Kraftstoffeinsparung betrachten. Dies korreliert  natürlich mit unserer Rentabilität und der Zahl der Unfälle. All dies wird gemessen und sehr ernsthaft behandelt.

Foto: Girteka

Wie sieht diese Öko-Liga aus, ist sie eine Art Gamification?

Wir haben ein klares System. Nach jeder Fahrt wird der Fahrstil der Fahrer an mehreren Punkten bewertet: wie sie beschleunigen, bremsen und so weiter. Dies ist eine Art von Spiel, und die Besten erhalten Preise – eine zusätzliche Vergütung. Man kann wirklich stolz darauf sein, der Beste unter den 15.000 zu sein. Das motiviert.

Und werden die Schlechtesten irgendwie bestraft? In sozialen Medien gibt es solche Stimmen, dass für zu hohen Kraftstoffverbrauch die Gehälter gekürzt werden.

Es gibt bei Girteka keine Strafsysteme. Und ich hoffe so ist es auch in anderen seriösen Unternehmen in unserem Sektor. Beim Brennstoff muss man zwischen zwei Problemen unterscheiden. Der erste Fall liegt vor, wenn eine große Menge Kraftstoff, d.h. wirklich überdurchschnittlich verbraucht, aber im Motor verbrannt wurde. Dies korreliert in der Regel mit der niedrigen Bewertung des Fahrers. Ein solcher Fahrer muss eine Schulung machen.

Es gibt noch eine andere Möglichkeit – wenn dieser Kraftstoff nicht im Motor verbraucht wurde. Wir tolerieren ein solches Verhalten bei Girteka nicht. Wenn ein Fahrer nicht lernen möchte oder unsere Werte nicht akzeptieren will, dann beenden wir die Zusammenarbeit mit ihm.

Foto: Girteka

Bleiben wir noch eine Weile beim Thema Ökologie. Sie sind Mitbegründer der European Clean Trucking Alliance, einer Organisation, deren Ziel es ist, die Dekarbonisierung der Schwertransportindustrie zu beschleunigen. Um welche konkreten Maβnahmen handelt es sich zusätzlich zu dem, was Sie bereits erwähnt haben?

Gegenwärtig wollen wir unsere Kunden darauf aufmerksam machen, dass Auflieger mit einer Norm unter Euro 6 wesentlich mehr CO2 produzieren. Wir wollen sie, insbesondere diejenigen, die sich verantwortlich fühlen, ermutigen, den Einsatz solcher Auflieger zu reduzieren. Wir investieren in den intermodalen Transport in Deutschland, Skandinavien und Spanien. Wir verwenden HVO-Kraftstoff, und wir sind, wie gesagt, bereit für die Elektrifizierung, wenn es soweit sein wird.

Nachdem Sie das bisherige langfristige Ziel von Girteka von 1 Milliarde Euro Umsatz erreicht haben, haben Sie sich ein neues Ziel gesetzt, nämlich die Digitalisierung. Sie möchten sich in ein digitales Unternehmen verwandeln. Viele Unternehmen erklären dies, aber das Problem ist, dass nur wenige es definieren können, was es bedeuet, digital zu sein. Wie sollte man messen und definieren, ob man bereits digitalisiert ist oder nicht?

Ein noch größeres Problem ist, dass der Markt stark fragmentiert ist und es für kleine Unternehmen schwierig ist, in die Digitalisierung zu investieren. Wenn wir jedoch von Girteka sprechen, nehmen wir das Thema sehr ernst, wir haben etwa ein Dutzend Projekte, die auf die Digitalisierung unseres Geschäfts abzielen. Diese berühmte Umsetzung mit SAP ist nur eine davon.

Wir investieren auch in ein System zur Anpassung der Lasten an die Auflieger, da die Verwaltung eines so großen Fuhrparks nicht einfach ist und viel Handarbeit erfordert. Davon können wir alle profitieren – unsere Kunden, wir und die Umwelt, denn es wird unsere Rentabilität deutlich verbessern und Leerfahrten verringern. Im Allgemeinen erfordert die Verwaltung einer solchen Flotte intensive Arbeit nicht nur von den Fahrern, sondern auch von den Managern – 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Wir arbeiten also an einer digitalen Lösung, die den Komfort sowohl für Manager als auch für Fahrer verbessern wird. Ein weiteres Problem, das wir mit der Digitalisierung lösen wollen, ist die Verkürzung der Wartezeiten unserer Lkw beim Be- und Entladen.

Die Digitalisierung ist notwendig. Sie hilft, die Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und die Auswirkungen des Mobilitätspakets auszugleichen.

Die Digitalisierung wird überall stattfinden, das ist unbestritten. Und wie üblich werden diejenigen, die die Führung übernehmen, am meisten profitieren. Deshalb investieren wir massiv in sie.

Foto: Girteka

Um auf meine Frage zurückzukommen – haben Sie irgendwelche KPIs, mit denen Sie beurteilen können, ob Sie das Ziel der „Digitalisierung” erreicht haben?

Bei Girteka denken wir etwas anders darüber, wir konzentrieren uns auf eine nachhaltigere Entwicklung. Wir haben fünf Bereiche, in denen wir uns klare Ziele setzen. Wir sprechen darüber, was wir für unsere Kunden, für unsere Partner, für unsere Mitarbeiter, für die Gesellschaft und für unsere Aktionäre erreichen wollen.

Sie erwähnten die Einführung von SAP. Dieses Thema war in aller Munde, als Sie diese Zusammenarbeit begannen, denn es handelt sich um eine sehr ernsthafte Investition. Mich interessiert jedoch, ob die Integration mit SAP bereits konkrete messbare Vorteile gebracht hat?

Die Integration mit SAP hat noch keine Ergebnisse gebracht. Wir machen erst die ersten Schritte, und die nächsten ein bis zwei Jahre werden mit harter Arbeit verbunden sein. Wir müssen alte Gewohnheiten aufbrechen und immer noch große Investitionen tätigen, vor allem in unsere Mitarbeiter und den Ausbau unseres IT-Systems. Wir werden den ersten mit diesem Projekt verdienten Euro in vielleicht 2-3 Jahren haben. Es ist ein sehr anspruchsvolles Projekt, aber es ist eine Grundlage für die zukünftige Entwicklung unseres Unternehmens.

Und die letzte Frage – wie sieht es mit dem Bau des neuen Hauptsitzes von Girteka aus, dessen Fertigstellung Sie für 2021 angekündigt haben?

Girteka wird einen neuen Hauptsitz haben (lacht). Nur, dass die Situation mit COVID-19, aber vor allem mit der Änderung unserer Arbeitsweise uns zu einigen Anpassungen zwingt. Gegenwärtig arbeiten nur etwa 40 Prozent der Mitarbeiter im Büro. In etwa 6 Monaten werden wir alle unsere Änderungen in diesem Plan vorlegen. Es wird sicherlich eine andere Form haben als das, was wir vor einiger Zeit vorgestellt haben, aber wir planen immer noch den Bau einer großen, fantastischen, modernen Firmenzentrale in Vilnius.

Foto: Edvardas Liachovičius, CEO von Girteka

Tags