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Fahrpersonalmangel – und die Branche versteht es immer noch nicht!

Mittlerweile ist die Thematik des Fahrpersonalmangels omnipräsent in allen Medien, und nicht mehr nur in der sogenannten Fachpresse. Dabei wird oftmals auf England gezeigt, und die aktuelle Situation bzw. Entwicklung dort als Beispiel angeführt, was uns erwartet bzw. erwarten soll. Dabei ist die Frage nicht, ob vergleichbare Zustände in vielen anderen Staaten Europas eintreten werden, sondern lediglich wann diese Zustände so eintreten, dass diese für den Endverbraucher auch spürbar und sichtbar werden.

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Fahrpersonalmangel – fast ausnahmslos falsche Ansätze in der Branche und durch Verbände

Man versucht den Mangel an Fahrpersonal durch verschiedenste Forderungen zu begegnen, welche meist nicht ursachenorientiert für den Mangel an Fahrpersonal sind, sondern symptomgetrieben (= der Mangel an Fahrpersonal).

Forderungen u.a. nach leichteren Berufszugangsvoraussetzungen, Förderung der Qualifizierung mit öffentlichen Geldern, leichtere Integration von Fahrpersonal aus Drittstaaten in den Arbeitsmarkt, usw. sind eigentlich nur der Ruf „wir brauchen auch weiterhin Fahrpersonal das bereit ist, zu desolatesten Bedingungen zu arbeiten, insbesondere zu geringen Personalkosten“.

Leider ist jedoch die breite Masse der Unternehmen / verantwortlichen Personen in den Unternehmen so schlecht, dass sie diese desolaten Bedingungen nicht mal erkennen. – so wird man niemals nachhaltig den Mangel an Fahrpersonal ändern!

Nur einige Beispiele von vielen weiteren, das die Branche bzw. jedes einzelne Unternehmen ändern muss und auch könnte, wenn gewollt.

  • Überlange und oftmals kaum planbare Einsatz- und Arbeitszeiten.
  • Bruttoarbeitsentgelte die weder zeit- noch arbeitsmarktgerecht sind für die erbrachte entlohnungspflichtige Zeit.
  • Ausgleich / Abgeltung von Mehrarbeit.
  • Bezahlung jeglicher Parkkosten für den Lkw.
  • Bereitstellung bzw. Übernahme der Kosten für Sicherheitsschuhe, Arbeitshandschuhe, etc.
  • Bereitstellung von tatsächlich persönlicher Sicherheitsausstattung und nicht bezogen auf den Lkw. – unabhängig der aktuellen Situation, ist und war das Durchtauschen von Warnwesten, Helmen, Handschuhen, etc. hygienisch immer schon völlig unverständlich.
  • Der Umgang mit dem Fahrpersonal ist meist unbewusst, weil gar nicht mehr anderes bekannt in jeglicher Hinsicht unterirdisch schlecht. – traditionell schlechter Umgang könnte man sagen.
  • Völliges Versagen in zeitgerechter mitarbeiterorientierter Personalführung.
  • Völliges Versagen beim Ausbilden und Qualifizieren von zukünftigem Fahrpersonal seit jeher. – es war noch Aufgabe der Bundeswehr „Lkw-Fahrer zu produzieren“, und es ist auch nicht Aufgabe der Agenturen für Arbeit dies zu übernehmen. Dies ist reine Branchenaufgabe.

Aktuell wird gerade wieder erklärt, dass man nicht mehr Lohn / Gehalt für das Fahrpersonal bezahlen kann, weil insbesondere die Kosten für Diesel, AdBlue und Fahrzeuge enorm steigen. – „steigen die Kosten für das Fahrpersonal im privaten Umfeld denn nicht!? – z.B. für Diesel, Heizöl, AdBlue,….“ oder „warum hat man denn dann nicht vorher mehr Lohn / Gehalt bezahlt, als Diesel, AdBlue und Fahrzeuge noch vermeintlich billig gewesen sind!?“

Dieses Verhalten bzw. diese Argumentation zögert einfach nur das Einholen des Marktes für das jeweilige Unternehmen hinaus. – Wer kein Fahrpersonal mehr hat, hat auch keine hohen Diesel- und AdBluekosten mehr.

Wer es als Unternehmen nicht kann, die gestiegen Kosten am Markt umzusetzen, auch und insbesondere für höhere Arbeitsentgelte für das Fahrpersonal, ist einfach zu schlecht für den Gesamtmarkt (zum Gesamtmarkt gehört auch der Markt bzw. Wettbewerb um Fahr-/Fachpersonal). Die Hoffnung, dass solche Unternehmen möglichst schnell vom Markt aussortiert werden, und somit ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Bedingungen für das Fahrpersonal geschaffen werden, ist jedoch sehr positiv, auch wenn dies eine harte Selektion für viele Beteiligte werden wird.

Kostendruck aus Osteuropa – das tatsächliche Problem?

Die immer wieder angeführte Leier vom Kostendruck aus Osteuropa durch osteuropäische Unternehmen war noch nie das wirkliche Problem und ist es auch nicht. Das Kostenproblem waren und sind nach Osteuropa ausgeflaggte west- und mitteleuropäische Unternehmen, welche oftmals nur eine Briefkastenfirma betreiben, und Unternehmen mit west- und mitteleuropäischem Sitz aus der Speditions-, Transport- und Logistikbranche welche oftmals generell nur mit osteuropäischen Frachtführern arbeiten. Dabei sind dies lange nicht nur die sogenannten „Großen“, die ihre Frachten an osteuropäische Frachtführer vergeben, sondern auch viele kleine und mittelständische Unternehmen. Viele west- und mitteleuropäische Unternehmen brauchen heute osteuropäische Frachtführer, damit sie selbst überleben können, jedoch braucht diese Unternehmen der Markt nicht mehr. Man könnte es auch noch direkter formulieren, – viele west- und mitteleuropäische Unternehmen aus der Speditions-, Transport- und Logistikbranche brauchen osteuropäische Frachtführer mit billigstem Fahrpersonal, damit sie ihr eigenes Auskommen finanzieren. Dies ist das tatsächliche Problem.

Analog dazu brauchen viele Unternehmen „billiges“ eigenes Fahrpersonal um ihr Unternehmen, sowie oftmals persönlichen Lebensstil zu finanzieren, nur braucht kein Arbeitnehmer mehr diese potenziellen Arbeitgeber mit schlechten Bedingungen.

Fahrpersonalmangel = Booster für den seit Jahrzehnten erforderlichen Branchenumbruch

Die Fahrpersonaltätigkeit steht in Europa wohl wie nur wenige andere Berufe für desolateste Bedingungen, welche in vieler Hinsicht nicht annähernd hinnehmbar sind. Dabei ist das Erschreckendste, dass die Branche nicht mal die Bedingungen ändert bzw. erkennt, welche sie selbst ändern kann bzw. könnte. Diese Unfähigkeit sowie Untätigkeit wird Veränderungen auf dem Transport-, Speditions- und Logistikmarkt bringen, welche in ihrer Tiefe, sowie in ihrer Dynamik noch nie gegeben waren.

Der Wettbewerb ist nicht mehr der Wettbewerb um Aufträge, sondern um Fachpersonal!

Schon längere Zeit haben Unternehmen Lkw trotz oftmaliger Auftragsflut stehen, weil sie diese nicht mit Fahrpersonal besetzen können. Dabei steigt die Anzahl der Unternehmen, die Lkw nicht besetzen können, sowie die Anzahl der Lkw in den Unternehmen die nicht besetzt werden können. – das ist der tatsächliche Wettbewerb, und dies nicht in Zukunft, sondern bereits heute.

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