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Umschlag-Terminal Malaszewicze (Foto: Marcin Wolak)

Blockierte Landverbindung: Grenzschließung zwischen Polen und Belarus bringt EU-China-Verkehre ins Stocken

Lesezeit 5 Min.

Die wichtigste Schienenachse zwischen Europa und China steht seit fast zwei Wochen still. Mit der vollständigen Schließung aller Grenzübergänge nach Belarus hat Polen einen zentralen Korridor der „Neuen Seidenstraße“ gekappt – mit spürbaren Folgen für internationale Lieferketten. Während Verhandlungen mit Peking laufen, wächst in der Branche die Sorge um dauerhafte Verlagerungen.

Am Grenzübergang Terespol–Brest liegt der Güterbahnhof Małaszewicze – das Drehkreuz für 90 Prozent aller Züge im Landverkehr zwischen China und der EU. Hier herrscht seit dem 12. September Stillstand.

Polens Innenminister Marcin Kierwiński erklärte, die Grenze bleibe geschlossen, solange „keine Bedrohung für die Sicherheit der Bevölkerung“ bestehe. Die Entscheidung fiel parallel zum russisch-belarussischen Militärmanöver „Sapad“. Obwohl die Übungen inzwischen beendet sind, ist die Grenze weiter blockiert.

Das hat direkte Auswirkungen auf die Belt-and-Road-Verkehre (BRI). Im Jahr 2024 stieg das Umschlagsvolumen in Małaszewicze auf 280.000 Standardcontainer, ein Plus von 156 Prozent. Branchenexperten wie Christopher Fuss von Germany Trade & Invest betonen:

„Die Schiene ist schneller als der Seeweg und günstiger als Luftfracht – besonders für zeitkritische Transporte.“

Was bedeutet das für die Logistikbranche

  • Verzögerungen und Umwege
    Transportketten, die auf die Route über Belarus setzen, sind betroffen. Zeitkritische Güter können nicht wie gewohnt über Malaszewicze transportiert werden, was zu Verzögerungen und zu höheren Kosten führt. Einige Marktteilnehmer prüfen, auf den Seeweg oder den so genannten Mittleren Korridor über Zentralasien auszuweichen, obwohl diese Alternativen oft längere Laufzeiten und höhere Logistikkosten mit sich bringen.
  • Wirtschaftliche Einbußen lokal und überregional
    Insbesondere Regionen nahe der Grenze merken erste Auswirkungen. Der Bahnhof Malaszewicze, der als wichtiger Arbeitgeber gilt, hat vorübergehend seinen Betrieb eingestellt. Laut Handelsblatt ist das führende Schienengüterverkehrsunternehmen in Polen PKP Cargo zwar der Ansicht, dass die Ausfälle aktuell „nur geringfügige“ Auswirkungen auf das Gesamtgeschäft haben. Sollte die Schließung jedoch länger bestehen, drohe eine dauerhafte Verlagerung von Volumina auf alternative Routen.

Unternehmen leiden bereits unter Rückstaus und logistischen Engpässen. Das betriebswirtschaftliche Risiko steigt, insbesondere da Kosten für Lagerhaltung, Umschlag und Transport stärker ins Gewicht fallen.

Auswirkungen auf die EU-China-Verkehrsroute

Die Route über Malaszewicze ist Teil des China-Europa-Bahnverkehrs, wichtig für Lieferungen, die schneller als per Schiff, aber günstiger als per Luftfracht sein müssen. Komplette Brüche in dieser Route bedeuten für viele Akteure in der Logistikbranche einen Umschlag in der Planung: Andere Transportrouten werden geprüft, Abhängigkeiten neu bewertet.

Polnische Medien spekulieren, ob die Schließung auch eine Botschaft in Richtung China ist. Passend dazu wurde in Warschau das Importverbot für polnisches Geflügelfleisch aufgehoben – ein zentrales Handelsanliegen.

Gleichzeitig weist die Logistikforschung darauf hin, dass China längst Alternativen prüft. Der „Mittlere Korridor“ über Zentralasien und die Türkei gewinnt an Bedeutung. Sollte die Blockade anhalten, droht Polen seine Schlüsselrolle als Transitland einzubüßen.

Wachsende Sorge in der Branche

PKP Cargo erklärte zwar, eine kurzfristige Blockade habe nur geringe Auswirkungen. Doch Logistikunternehmen wie PFC (Polish Forwarding Company) sprechen von massiven Rückstaus und steigenden Kosten.

„Die Maßnahme verursacht in jedem Fall beträchtliche Belastungen, nicht nur für alle Umschlagterminals in Małaszewicze, sondern auch für viele Unternehmen, die am Bahntransport von China nach Europa und umgekehrt beteiligt sind (Bahnbetreiber, Speditionen und Transportunternehmen). Die Folgen werden nicht nur in Polen, sondern in ganz Europa spürbar sein, da 90 Prozent aller Sendungen von und nach China über Małaszewicze laufen, das für den Umschlagsknotenpunkt zuständig ist“, so Eisenbahnchef Miłosz Witkowski.

Das polnische Innenministerium prüft Unterstützungsleistungen für betroffene Sektoren. Klar ist aber: Je länger die Schließung andauert, desto höher die Gefahr einer dauerhaften Abwanderung von Verkehren.

LKW stecken in Belarus fest

Besonders dramatisch ist die Lage für den Straßengüterverkehr. Nach Angaben der Grenzbehörden sitzen rund 1.300 polnische Fahrzeuge in Belarus fest, darunter LKW mit Waren im Wert von etwa 200 Millionen Złoty.

„Eine stehende, nicht arbeitende Zugmaschine verursacht Verluste von 350 Euro pro Tag, eine Kühl-LKW sogar bis zu 1.000 Euro“, kritisierte der stellvertretende Sejmmarschall Krzysztof Bosak.

ZMPD-Sprecherin Anna Brzezińska erklärte, viele Fahrer seien zugleich Unternehmer:

„Sie campieren in ihren LKW, weil sie ihre Fahrzeuge nicht zurücklassen können. Das ist ihre Existenzgrundlage.“

Ein Ausweichen auf andere Grenzübergänge ist nicht möglich – nach belarussischem Recht müssen Fahrzeuge über denselben Posten zurückkehren, über den sie eingereist sind. Damit stecken die betroffenen Transporte faktisch in einer Sackgasse.

Für viele kleine Speditionen geht es um die wirtschaftliche Existenz. Jede weitere Woche Blockade bedeutet Millionenverluste – und verstärkt den Druck auf eine ohnehin stark belastete Branche.

Mitarbeit: Agnieszka Kulikowska-Wielgus

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