Noerpel Standort in Odelzhausen (Archivbild) Quelle: Noerpel

Noerpel setzt auf Litauen: Wie die Schwaben ihre Fuhrparktochter ausbauen und warum

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Die Noerpel-Gruppe aus Ulm reagiert auf den anhaltenden Fahrermangel mit einer klaren Strategie: In Litauen wird die firmeneigene Flotte massiv ausgebaut. Was dahintersteckt und wie sich der litauische Markt unter Girtekas Dominanz entwickelt, zeigt dieser Bericht.

Die Noerpel-Gruppe reagiert mit einer klaren Wachstumsstrategie auf den angespannten Transportmarkt. Mit der 2024 gegründeten Tochtergesellschaft Noerpel Baltic UAB in Vilnius baut das Unternehmen seine Fahrerkapazitäten deutlich aus. Bereits heute beschäftigt die litauische Einheit rund 75 fest angestellte LKW-Fahrer und setzt 60 Fahrzeuge auf internationalen Relationen ein.

Vorstand Frank Irslinger beschreibt die Lage unverändert kritisch:

„Als Transportunternehmen stellt uns diese Situation täglich vor große Herausforderungen. Zieht die Wirtschaft nur leicht an, werden sich die Kapazitätsengpässe noch einmal verstärken.“

Allein in Deutschland fehlen laut Irslinger rund 70.000 Berufskraftfahrer, ein strukturelles Problem, das sich durch Demografie und schlechte Nachwuchsquoten weiter verschärft.

Warum Litauen? Noerpel nennt „stabile Rahmenbedingungen“

Die Wahl des Standorts Vilnius ist laut Unternehmen bewusst getroffen. Litauen gilt seit Jahren als Hochburg europäischer Straßentransporte, mit etablierten Rekrutierungsstrukturen, hoher Logistikkompetenz und flexiblen Rahmenbedingungen.

Vorstand Frank Irslinger betont:

„Litauen bietet wirtschaftlich stabile Rahmenbedingungen, ein gutes Umfeld für Unternehmensgründungen und eine hohe Dynamik im Logistiksektor. Unser Schritt nach Litauen war genau richtig.“

Laut Noerpel soll die Flotte „mittelfristig auf 100 Fahrzeuge wachsen“. Rekrutiert wird nicht nur in Litauen, sondern auch in Nachbarstaaten.

Transportmarkt Litauen: Ein Ökosystem, das Girteka geprägt hat

Wer in Litauen Transportkapazitäten aufbaut, bewegt sich automatisch im Schatten des Branchenriesen Girteka. Das in Vilnius ansässige Unternehmen betreibt eine der größten europäischen LKW-Flotten und dominiert seit Jahren den baltischen Markt für internationale FTL-Transporte.

Doch selbst Girteka kämpft mittlerweile mit Fachkräftemangel – trotz:

  • eines eigenen globalen Recruiting-Portals,
  • spezieller Programme zur Gewinnung von Fahrerinnen,
  • sowie einer Ausweitung der Personalgewinnung nach Georgien.

Dass nun auch mittelständische Unternehmen wie Noerpel zunehmend auf Litauen setzen, zeigt: Der Baltikum-Markt ist kein Geheimtipp mehr – er ist zum strategischen Nadelöhr geworden.

Ausbau als Antwort auf Kapazitätsdruck

Noerpel Baltic übernimmt die komplette Organisation: Fahrzeuge und Fahrpersonal werden vor Ort disponiert, die Touren überwacht. Die LKW lassen sich per GPS orten, wodurch jederzeit Transparenz über den Sendungsstatus besteht. Derzeit fahren sie bereits für die deutschen Standorte Ulm, Baienfurt, Kempten, Stuttgart, Teningen und Villingen-Schwenningen.

„Mit der Noerpel Baltic stabilisieren wir Lieferketten und stellen unser Unternehmen zukunftssicherer auf“, so Irslinger.

Branchenanalyse: Wie belastbar ist das Litauen-Modell?

Der Schritt nach Litauen ist weder neu noch ungewöhnlich, aber er bleibt branchenpolitisch sensibel.

Vorteile:

  • leichterer Zugang zu Fahrer:innen
  • eingespielte Recruiting-Prozesse
  • hohe Erfahrung im internationalen FTL-Geschäft
  • Kosten- und Lohnstruktur im EU-Rahmen, aber für deutsche Unternehmen günstiger
  • strategisch günstige Lage zwischen Ost- und Westeuropa

Risiken:

  • auch Litauen leidet unter Nachwuchsmangel
  • zunehmende Konkurrenz um denselben Fahrermarkt
  • politische Debatten um soziale Standards bleiben präsent
  • steigende Lohnkosten in den baltischen Staaten
  • Abhängigkeit von einem Arbeitsmarkt, der selbst angespannt ist

Kurzum: Das Baltikum kann Engpässe abfedern, aber den europaweiten Fahrermangel nicht lösen.

Ein Baustein, aber nicht die Lösung

Der Ansatz von Noerpel folgt einem klaren Trend: Immer mehr Transport- und Logistikunternehmen verlagern Fuhrparkanteile in Länder, in denen qualifiziertes Personal “noch” leichter zu gewinnen ist.

Doch Experten vom Institut der Deutschen Wirtschaft mahnen: Der Fachkräftemangel lasse sich nur durch eine Kombination aus Ausbildung, Arbeitsbedingungen, internationaler Rekrutierung und technologischen Verbesserungen nachhaltig bekämpfen. Noerpels Ansatz ist daher ein wichtiger Baustein, aber nicht das Ende der Debatte.

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