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Strafzölle für chinesische E-Autos könnten ihre Wirkung verfehlen

Die Europäische Kommission will demnächst eine Entscheidung über höhere Strafzölle auf chinesische Elektroautos treffen. Die Maßnahmen könnten jedoch ihr eigentliches Ziel verfehlen.

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Im Oktober 2023 hat die EU eine Anti-Subventions-Untersuchung gegen China eingeleitet, um zu ermitteln, ob heimische Investoren in China auf eine nicht mit den Regeln der WTO konforme Weise vom Staat subventioniert werden, um Preise künstlich niedrig zu halten. Die Ermittlungen wurden nicht ohne Grund eingeleitet und die Vorwürfe sind nicht unbegründet.

Ein im April veröffentlichter Kiel Policy Brief „Foulspiel? Zu Höhe und Umfang der Industriesubventionen in China“ des IfW Kiel zeigt, wie stark Peking seine heimischen Industrien subventioniert, insbesondere in den Bereichen grüner Technologien wie Elektromobilität oder Windkraft. Schätzungen zufolge gibt China drei- bis neunmal so viel für Unternehmenssubventionen aus wie beispielsweise Deutschland.

Chinas Subventionspolitik ist ein seit Jahren kontrovers diskutiertes Thema: Zwar ist die europäische Industrie gegen die Konkurrenz aus China preislich oftmals nicht mehr konkurrenzfähig. Ohne Chinas subventionierte Technik würden aber auch Produkte teurer und knapper, die Deutschland für die grüne Transformation benötigt, sagt Dirk Dohse, Forschungsdirektor am IfW Kiel und Mitautor des Policy Briefs.

Laut Studie erhielten im Jahr 2022 über 99 Prozent der börsennotierten Unternehmen in China direkte staatliche Unterstützung. Zudem soll Peking auch andere wettbewerbsverzerrende Maßnahmen anwenden, wie bevorzugten Zugang zu kritischen Rohstoffen, erzwungenen Technologietransfer und Vorzugsbehandlung bei öffentlichen Vergaben und Verwaltungsverfahren, um heimische Unternehmen konkurrenzfähiger zu machen.

Unter den größten Profiteuren solcher Subventionen ist der Elektroauto-Hersteller BYD. Während die direkten Subventionen im Jahr 2020 noch 220 Millionen Euro betrugen, wurde das Unternehmen im Jahr 2022 bereits mit 2,1 Milliarden Euro unterstützt. Bezogen auf den Umsatz entspricht dies einem Anstieg von 1,1 Prozent auf 3,5 Prozent, beziffern die Autoren des Berichts. Zudem soll BYD weit mehr Kaufprämien für Elektroautos in China erhalten haben als andere Hersteller, wie GAC, Tesla oder die Joint Ventures von VW.

Diese unlauteren Praktiken will die EU in nächster Zeit mit einer Erhöhung der Strafzölle unterbinden. Insidern zufolge sollen diese voraussichtlich im Bereich von 15-30 Prozent liegen. Damit würde der Anstieg nicht so drastisch ausfallen wie in den USA, wo die Anti-Dumping-Zölle ab August von 25 Prozent auf 100 Prozent steigen werden. Trotzdem würden die Maßnahmen weitreichende Folgen haben.

Preise für E-Autos würden steigen

Das IfW Kiel hat jüngst Simulationsrechnungen erstellt, welche konkreten Auswirkungen die Besteuerung der Importe chinesischer Elektroautos mit 20 Prozent auf den bilateralen Handel und die Produktion in Europa hätte. Laut Auswertung würde die Anzahl importierter E-Autos aus China um 25 Prozent sinken, also um etwa 125.000 Fahrzeuge im Wert von fast 4 Milliarden US-Dollar, wenn man als Referenzwert die Importzahlen von 2023 nimmt. Allerdings wären davon auch deutsche Autobauer betroffen, die in China herstellen.

Des Weiteren schätzen die Autoren, dass die Verkäufe auf dem EU-Binnenmarkt um 3,3 Milliarden US-Dollar steigen würden. Steigen würden aber auch die Preise für E-Autos, da die Produktion in der EU aufgrund diverser Faktoren teurer ist.

Für die Verbraucher dürfte dies im Ergebnis höhere Preise für Elektroautos bedeuten, weil die Produktion innerhalb der EU deutlich teurer ist als in China, aufgrund von höheren Energie- und Materialpreisen und vor allem deutlich höherer Lohnkosten, sagt Julian Hinz, Handelsforscher am IfW Kiel, der die Berechnungen durchgeführt hat.

Dass europäische Autohersteller die Lücke füllen, ist dagegen keinesfalls ausgemacht. Auch könnten chinesische Hersteller wie BYD mit neuen Werken in Europa die Nachfrage vor Ort bedienen, weist der Experte auf einen weiteren Aspekt hin.

Die Einführung höherer Zölle könnte sich auch auf die Nachfrage nach Vorleistungen für die Produktion aus der EU auswirken. Die Autoren gehen davon aus, dass die EU-Exporte nach China im Segment „Autos und Autoteile“ um 0,6 Prozent oder 237 Millionen US-Dollar und die EU-Exporte insgesamt nach China um über 600 Millionen US-Dollar sinken könnten.

Harter Schlag für die deutsche Autoindustrie

Die Anti-Dumping-Zölle sind ein zweischneidiges Schwert und würden deutsche Autohersteller, die in China breit vertreten sind, ebenfalls hart treffen. Kurz vor dem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in China warnten Ola Källenius, der Vorstandsvorsitzende von Mercedes-Benz, und BMW-Chef Oliver Zipse vor einer politischen Reaktion und dem Aufbau von Handelshindernissen.Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) warnt vor einem Handelskonflikt, denn nicht zu vergessen ist, dass Deutschland jährlich 300.000 Fahrzeuge nach China exportiert.

Bereits die Anti-Subventions-Untersuchung wurde in China kritisch gesehen und als „politisch motiviert“ bezeichnet. Vergeltungsmaßnahmen seitens Peking sind damit vorprogrammiert, sollte die EU höhere Strafzölle einführen.

Ziel könnte verfehlt werden

Die amerikanische Denkfabrik Rhodium Group ist zudem der Auffassung, dass die Zölle in der geplanten Höhe ihre Wirkung verfehlen würden: Chinesische Hersteller seien aufgrund ihrer erheblichen Kostenvorteile so profitabel aufgestellt, dass sie weiterhin nach Europa exportieren und hohe Gewinne erzielen würden.

Um den europäischen Markt für chinesische E-Auto-Hersteller unattraktiv zu machen, wären Zölle in Höhe von 40-50 Prozent notwendig, für BYD müsste die Latte sogar noch höher liegen, betont die Denkfabrik.

Rhodium Group plädiert deshalb dafür, zusätzliche Maßnahmen in Betracht zu ziehen, wie strengere Cybersecurity-Anforderungen oder Anpassungen von Kaufanreizen, um chinesische Importe zu begrenzen. Der neue EU-Gesetzesvorschlag zum Verbot von Produkten, die mit Zwangsarbeit hergestellt wurden, könnte ebenfalls Wirkung erzielen.

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