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Klare Regeln für sauberen Wasserstoff: EU-Kommission schafft Investitionssicherheit – doch Zweifel bleiben

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Mit einem neuen delegierten Rechtsakt schafft die Europäische Kommission einen verbindlichen Rahmen für die Bewertung von CO₂-armen Wasserstoff und Kraftstoffen. Die Maßnahme soll zentrale Impulse für den Ausbau eines wettbewerbsfähigen Wasserstoffmarkts in Europa setzen und ist ein zentraler Schritt zur Erreichung der EU-Klimaziele bis 2050. Erste Stimmen aus der Branche äußern jedoch weiterhin Skepsis an der praktischen Umsetzbarkeit.

Die neue EU-Methodik zur Emissionsbewertung von CO₂-armen Kraftstoffen wurde am 8. Juli 2025 vorgestellt und markiert den vorläufigen Abschluss eines umfassenden Konsultationsprozesses. Das Verfahren steht nun zur Prüfung im Europäischen Parlament und Rat – mit weitreichenden Folgen für Industrie, Luftverkehr und Logistik.

Einheitlicher Maßstab für CO₂-arme Kraftstoffe

Die neue Methodik der Europäischen Kommission legt erstmals eine einheitliche Definition für CO₂-armen Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe fest. Entscheidend ist ein Schwellenwert von mindestens 70 Prozent Treibhausgaseinsparung im Vergleich zu konventionellen fossilen Brennstoffen. Damit soll der Markt klare Leitplanken erhalten, um Investitionen gezielt zu lenken.

Ziel ist es, vor allem jene Bereiche zu dekarbonisieren, in denen Elektrifizierung bislang kaum möglich ist – etwa der Schwerlastverkehr, die Schifffahrt, der Luftverkehr sowie bestimmte industrielle Prozesse.

Die Kommission hebt hervor, dass der Lebenszyklusansatz der neuen Methodik sämtliche Emissionen von der Rohstoffgewinnung bis zur Nutzung des Endprodukts umfasst.

Industrie reagiert zurückhaltend auf Anpassungen

Trotz der gesetzten Rahmenbedingungen und Klarstellungen im delegierten Rechtsakt bleiben Zweifel innerhalb der Branche bestehen. Dr. Timm Kehler, Vorstand der Branchenvertretung „Die Gas- und Wasserstoffwirtschaft“, äußerte sich kritisch zur Praxistauglichkeit der Vorgaben. Zwar erkenne man die Gesprächsbereitschaft der Kommission an, insbesondere hinsichtlich der für blauen Wasserstoff relevanten Emissionswerte. Diese seien leicht gesenkt worden. Dennoch blieben zentrale Anforderungen weiterhin unklar und schwer umsetzbar.

Die Kommission wirft der Wasserstoffwirtschaft einen Rettungsring zu – ob dies wirklich zum Überleben reicht und so das Wasserstoff-Kernnetz gefüllt werden kann, bleibt […] sehr fraglich“, so Kehler.

Insbesondere die Nachweisführung sei durch komplexe und noch nicht abschließend definierte Verfahren für viele Unternehmen kaum realisierbar.

Technologieoffenheit als politisches Signal

Politisch setzt die Kommission mit dem Rechtsakt dennoch ein wichtiges Zeichen. CO₂-armer Wasserstoff kann unter anderem durch Reformierung von Erdgas mit CO₂-Abscheidung (CCUS) oder durch Elektrolyse unter Nutzung CO₂-armen Stroms erzeugt werden. In künftigen Schritten will die EU auch den Einsatz von Kernenergie stärker berücksichtigen – eine öffentliche Konsultation ist für 2026 geplant.

Dabei respektiert die Kommission bewusst die Unterschiede im Energiemix der Mitgliedstaaten. Der delegierte Rechtsakt verzichtet darauf, den Anteil erneuerbarer Energien für aus Strom erzeugten Wasserstoff verbindlich festzulegen. Dieser Aspekt soll im Rahmen der Überarbeitung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie geregelt werden.

Dan Jørgensen, Mitglied der Kommission für Energie und Wohnungswesen:

Wasserstoff wird eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung unserer Wirtschaft spielen. Mit einer pragmatischen Definition von CO2-armem Wasserstoff, die den Energiemix aller EU-Länder respektiert, bieten wir Investoren die notwendige Sicherheit. Auf diese Weise unterstützen wir das Wachstum eines Sektors, der sowohl für unsere Wettbewerbsfähigkeit als auch für unsere Klimaziele von entscheidender Bedeutung ist.

Einheitlicher Markt – auch für Drittstaaten

Die neuen Regelungen gelten sowohl für EU-interne Produzenten als auch für Importeure. Zertifizierungen sollen über etablierte freiwillige Systeme erfolgen. Damit wird sichergestellt, dass auch außereuropäische Anbieter gleiche Wettbewerbsbedingungen einhalten müssen – ein Schritt zur Angleichung globaler Standards im Wasserstoffhandel.

Rechtsrahmen, aber kein politischer Spielraum

Der delegierte Rechtsakt wird dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Prüfung vorgelegt. Diese können ihn in einem Zeitraum von zwei Monaten, verlängerbar auf vier, entweder annehmen oder ablehnen – Änderungen sind nicht möglich. Wird kein Einspruch eingelegt, tritt der Rechtsakt 20 Tage nach Veröffentlichung in Kraft.

Der jetzt beschlossene Text basiert auf einem Konsultationsprozess mit Mitgliedstaaten und Fachgremien. Zwei Sitzungen im November 2024 und Mai 2025 hatten dem jetzigen Entwurf den Weg bereitet.

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